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Verfasst am 10. September 2011 von Michael Klein (Kategorie: Interviews) — 4.211 views(K)ein Streitgespräch mit Unherz
Als Redakteur und Rezensent eines Magazins freut man sich immer über Feedback und Reaktionen – egal welcher Art.
Schließlich sind ebendiese ein Zeichen dafür, dass wirklich jemand die Artikel liest – und außerdem noch der Beweis, dass sich dieser auch noch Gedanken darüber macht. Im Endeffekt also genau das, was sich der Schreiber wünscht.
Deswegen habe ich die (wie erwartet) herben Kommentare zur Rezension des letzten Outputs „Herzschlag“ auch keineswegs persönlich genommen, schließlich habe ich meine Meinung zur Musik ja genauso unverblümt kundgetan.
Es ist aber nicht unsere Art, dies einfach so stehen zu lassen. Wir wollten hierzu auch die Band selbst zur Sprache kommen lassen.
Lest deshalb das folgende Interview mit Unherz und bildet Euch Eure eigene Meinung zur Band:
Metal-Aschaffenburg: Hallo Unherz! Es freut mich, dass ihr euch bereit erklärt, mit uns ein Interview zu machen. Schließlich haben eure beiden Alben bei uns ja eher schlecht abgeschnitten. Wir möchten euch aber nicht der Möglichkeit berauben, zu den wesentlichen Kritikpunkten eure eigene Sicht der Dinge darzustellen.
Locke: Hi. Locke hier, Bassist und Texter von Unherz. Und deine Fragen beantworte ich natürlich sehr gerne…
Ich bin derjenige, der die beiden Rezensionen geschrieben hat und möchte im Vorfeld kurz anmerken, dass ich nicht generell etwas gegen deutschsprachige Rockmusik habe. Im Gegenteil: Ich zähle eine Band wie die Schweisser zu meinen absoluten All-Time-Favoriten und finde Bands wie Grantig oder Tieflader genial.
Nur konnte ich eben sowohl mit „Unherzlich Willkommen“ als auch mit „Herzschlag“ so gut wie gar nichts anfangen. Musik ist halt Geschmackssache!
Meine Kritik (zugegeben: in recht sarkastischer Schreibe) möchte ich an dieser Stelle noch mal herausziehen und zur Diskussion freigeben…
In meiner Rezension zu „Unherzlich Willkommen“ bemängele ich den mangelnden Mut zur eigenen Identität. Ihr seid in meinen Ohren so nah an den Onkelz, dass ich das eigentliche Gesicht von Unherz nicht erkennen kann. Wie seht ihr das?
Nun, teilweise kann ich das nachvollziehen, da der Vergleich zu den Böhsen Onkelz mittlerweile natürlich allgegenwärtig ist. Andererseits wundere ich mich aber immer wieder genau über diesen Vergleich und finde ihn oft auch sehr überzogen. Schließlich handelt es sich bei den Onkelz um eine Kultband, ob zu Recht oder zu Unrecht sollte jeder für sich entscheiden, die fünfundzwanzig Jahre lang Zeit hatte sich zu entwickeln und zu dem zu werden, was sie letztlich waren. Unherz gibt es seit Ende 2008. Und jede Band entwickelt sich nun mal von Album zu Album. Außerdem finde ich, dass wir uns musikalisch deutlich von den Onkelz unterscheiden.
Nur mal zwei kleine Beispiele: Ich könnte mich nicht erinnern jemals ’nen Onkelz- Song im 6/8-Takt wie unser „Rette mich“ oder einen mit weiblicher Unterstützung wie in „Die Hölle muss schön sein“ gehört zu haben! Allerdings bin ich, um ehrlich zu sein, auch nicht gerade ein Böhse-Onkelz-Spezialist!! Vielleicht unterhalten wir uns in ein paar Jahren noch mal über dieses Thema!
Können wir gerne machen!
Ich würde in diesem Zusammenhang gerne wissen, welches Ziel ihr mit Unherz verfolgt? Wohin möchtet ihr die Band bringen und aus welchen Motiven heraus habt ihr die Band gegründet?
Klar, der Traum eines jeden Musikers ist es, irgendwann mal seine Brötchen mit der Musik zu verdienen. So ist das auch bei uns. Es wird dich wohl überraschen, aber einige der ersten Songs dieser Band hatten englische Texte. Einer davon war sogar auf Latein! Da sich aber schnell herausstellte, dass die deutschsprachigen beim Publikum am besten ankamen, haben wir uns natürlich darauf konzentriert. Das schließt aber nicht zwingend aus, dass wir vielleicht auch irgendwann mal ’nen englischen, chinesischen, russischen oder hebräischen Song auf eine unserer Platten drauf hauen, haha.
Gerade die Texte sind einer meiner weiteren Kritikpunkte. Über die lässt sich natürlich immer gut streiten, weil es natürlich auch hier keine objektiven Bemessungsgrundlagen gibt. Was für den einen pathetisch ist, ist für den anderen bodenständig.
Für mich sind die Texte zu direkt, zu plakativ, zu offensichtlich und zu einfach gestrickt. (Speziell meine ich hier: „Die Hölle muss schön sein“ oder „Halt die Fresse“).
Nun, gerade diese Songs und Texte, die du hier bemängelst, werden von anderen Rezensenten in den höchsten Tönen gelobt! Wie du schon sagst, der eine mag es direkt und der andere halt nicht. Ich gehöre zur ersten Sorte. Und so wie ich spreche schreib‘ ich auch meine Texte. Im Übrigen denke ich, dass einige unserer Texte, so zum Beispiel der von „Verlorene Welt“, sich nicht hinter denen anderer deutschsprachigen Bands verstecken müssen.
Vielleicht ist ein Grund für meine Abneigung ist auch die immense Schwemme an Bands, die sich seit Auflösung der Onkelz dazu berufen fühlen, im gleichen Fahrwasser zu schwimmen und (zumindest teilweise) vorhaben, den gleichen Erfolgsstatus der Frankfurter zu erreichen. Dass diese Unternehmen schon in den Anfängen zum Scheitern verurteilt sind, sollte klar sein.
Ihr habt schon selbst auf dem größten Tribute-Festival – dem G.O.N.D. – gespielt.
Wie zugehörig fühlt ihr euch dieser Szene? Wie wohl fühlt ihr euch zwischen all diesen Nacheiferern?
Ich denke, jede Band hat ihre Daseinsberechtigung, so lange sie ihr Publikum glücklich macht! In welchem Genre auch immer. Was mich persönlich an so einigen Bands stört ist das offensichtliche Kalkül. Viele davon sind für mich einfach unglaubwürdig. Das ist aber teilweise in anderen Musikrichtungen noch viel schlimmer als im Deutschrock. Die laufen erst rum wie irgendwelche Bürotypen und springen dann in übertriebene Kostüme, um auf der Bühne den großen Rockstar zu mimen. So was finde ich lächerlich! Wir dagegen sind, wie wir sind! Und klar, den Onkelz-Kult wird sicher nie irgendeine Band erreichen oder gar toppen können. Ich denke, wir fühlen uns dieser Szene nicht mehr und nicht weniger zugehörig als der Gothic- oder Metal-Szene. Schließlich supporten wir schon seit geraumer Zeit mehr oder weniger regelmäßig die Gothic-Metaller von Crematory. Und dies funktionierte bisher immer sehr gut.
Und wo seht ihr euch mit Unherz?
Wo wir uns mit Unherz sehen? Egal… Hauptsache, auf irgendwelchen Bühnen dieser Welt!
Was mich (und nicht nur mich!) sehr verwundert (und zugegebenerweise auch recht amüsiert) hat, ist die scheinbar mangelnde Kritikunfähigkeit von Unherz bezüglich weniger guter Rezensionen. (Matthias vom Unherz-Fanclub hat mich direkt als „Spatzenhirn“ beschimpft und mir im gleichen Atemzug Niveaulosigkeit vorgeworfen, und auch Musikreviews.de-Schreiber Chris wird recht harsch angegangen (inklusive spannender Diskussion)). Ich kann ja verstehen, dass man als Fan (und auch als Musiker) „seine“ Band „verteidigt“ – aber: Seid ihr euch bewusst, dass ihr durch solche Reaktionen dazu beitragt, das Bild von Unherz in der Öffentlichkeit nicht gerade ins positive zu rücken und dazu beizutragen, dass man euch dadurch belächelt?
Wir sind sicherlich alles andere als Kritikunfähig. Sogar ganz im Gegenteil. Wir sind wohl eher für jede „ernstzunehmende“ Kritik dankbar! Wenn dann ein Review aber beispielsweise mit den Worten „Unherz klingt auf diesem Album genau wie die von mir überhaupt nicht gemochten Böhsen Onkelz“ beginnt, dann brauche ich doch erst gar nicht weiter zu lesen, oder? Und wenn du dir so manche so genannte „Kritik“ mal richtig durchliest, dann brauchst du dich überhaupt nicht zu wundern, wenn unsere Fans sich dagegen wehren! Das hat teilweise mehr mit „beleidigen auf unterstem Niveau“ zu tun als mit „Kritik!“ Ich würde es begrüßen, wenn so manch einer uns sein Review persönlich überreichen würde. Dann hätten wir nämlich auch die Chance ihm zu sagen was wir über ihn denken! Wer uns deswegen belächeln möchte soll das gerne tun! Ich denke aber, wir würden uns erst recht lächerlich machen, wenn wir wegen irgendwelcher beschissenen Kritiken unseren Stil, Musik oder Texte ändern würden, oder? Und mal ehrlich: Hätte es dieses Interview gegeben, wenn unser Fanclub nicht aktiv geworden wäre? Wohl eher nicht….!
Metal-Aschaffenburg zählt ja zu den eher kleineren Magazinen. Da hat eine eher negative Rezension automatisch weniger Gewicht. Im RockHard wurde „Unherzlich Willkommen“ jedoch zur Arschbombe des Monats gewählt und landete auf dem letzten Platz des Soundchecks – genau wie aktuell „Herzschlag“ im Legacy. Ärgert euch eine solche (ja auch wirklich wesentlich fieser geschriebene) Rezension mehr?
Welche Kritiken werden im RockHard denn gelesen? Die des Albums des Monats und die der Arschbombe des Monats. Viele unserer jetzigen Fans sind dadurch erst auf uns aufmerksam geworden. Also, perfekt würde ich sagen! Vom Legacy liegt mir hier im übrigen ein sehr positives Review (Locke meint die 10-Punkte-Einzelkritik im aktuellen Heft. Im Soundcheck landete „Herzschlag“ jedoch auf dem letzten Platz – (mk)) vor, welches die Entwicklung vom ersten zum zweiten Album lobt… Also, keine Ahnung…..
Kommen wir noch mal kurz zum aktuellen Album. „Herzschlag“ ist gerade einmal 12 Monate nach „Unherzlich Willkommen“ erschienen – das ist relativ wenig. Arbeitet ihr als Band im Songwriting so effektiv oder hattet ihr noch Material aus den 2010er-Sessions übrig?
Die neuen Songs sind alle erst nach der Veröffentlichung von „Unherzlich Willkommen“ entstanden. Also haben wir, um es mit deinen Worten zu sagen, und das nehme ich jetzt einfach mal als Kompliment – haha – anscheinend effektiv gearbeitet!
Okay – Danke für das Gespräch. Die letzten Worte gehören dir!
Freut euch schon mal auf das kommende Album im Jahr 2012, haha!
(mk)
Tags: Unherz
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