Gespräch mit einem Totengräber
Verfasst am 21. Januar 2009 von Michael Klein (Kategorie: Interviews) — 2.148 viewsWenn eine der dienstältesten Heavy-Metal-Bands Halt in Aschaffenburg macht, darf man sich das nicht entgehen lassen. Erst recht nicht, wenn Grave Digger kurz zuvor mit „Ballads Of A Hangman“ eine starke neue Scheibe veröffentlicht haben. www.Metal-Aschaffenburg.de hatte die Gelegenheit, sich vor dem Konzert im Colos-Saal mit Gitarrist Manni Schmidt zu unterhalten.
Metal-Aschffenburg: Hallo Manni. Schön, dass ihr endlich mal nach Aschaffenburg gekommen seid!
Manni Schmidt: Ja. Dadurch, dass die Stadthalle in Langen umgebaut wird, fiel die Wahl dieses Mal auf den Colos-Saal. Wir haben vorher schon viel Gutes vom Club gehört und ich bin auch begeistert. Mal schauen was heut Abend geht. Der Vorverkauf war ja gut. Wenn Vier-/Fünfhundert Leute da sind, wären wir schon superzufrieden.
Wie war die Tour bis jetzt besucht?
Es geht so. Man merkt schon, dass zur Zeit viele Bands unterwegs sind oder noch kommen. Axel Rudi Pell beginnt seine Tour Ende Januar mit der wir uns teilweise überschneiden. Edguy ist unterwegs, Saxon kommen mit Iced Earth für ein paar Konzerte, Kreator gehen auf Tour. Da müssen die Leute schon überlegen wo sie hingehen. Und dann kommen ja auch noch Metallica und AC/DC.
Auf eurer letzten Tour 2008 hattet ihr mit Therion eine musikalisch vollkommen anders gelagerte Band mit dabei. Wie hat das Experiment funktioniert?
Das war unsere Double-Headliner-Tour. In Deutschland hat es uns nicht so viel gebracht. Im Ausland schon. Die Deutschen Fans sind große Scheuklappenträger. Bei vielen Gigs sind nach unserer Show die True-Metal-Fans rausgegangen. Da haben wir uns dann schon gefragt: Was hat das denn für einen Sinn? Wir dachten, wir bieten den Leuten eine schöne breite Palette, denn drei oder vier Bands, die an einem Abend die gleiche Musik spielen, würde ich persönlich langweilig finden. Über so ein Party-Paket würde ich mich viel mehr freuen.
Im Ausland war das vollkommen anders. Vielleicht liegt es daran, dass nicht so viele Bands in Kroatien oder den Ostländern spielen. Da sind die Fans alle bis zum Schluss geblieben.
Wie zufrieden seid ihr mit Alestorm, die jetzt mit auf Tour sind?
Bis jetzt kommen die Jungs ganz gut an. Es kann natürlich nicht jeder was mit deren Musik anfangen – es ist schon etwas anders.
Ihr habt soeben mit „Ballads Of A Hangman“ euer 15. Studioalbum veröffentlicht. Wie schafft ihr es, trotz fester Wurzeln immer noch frisch zu klingen?
Es war unser Ziel, wieder frischer zu klingen. Die „Liberty And Death“ war im Nachhinein recht überproduziert und ist auch ziemlich ins Leere gelaufen, weil die Songs nicht richtig greifen. Ab der Hälfte der Platte haben wir irgendwie den Überblick verloren und die Stücke zünden nicht richtig. Im Titeltrack sind beispielsweise acht Gitarren übereinendergelegt – das kann man dann live auch einfach nicht mehr so gut reproduzieren.
Als wir nach Tour nach Hause kamen, haben Chris und ich zusammengesessen und überlegt, wie es weitergeht. Weißt du: Wir sind inzwischen alle zwischen vierzig und fünfzig, da muss man sich ja auch irgendwie motivieren und einen Kick kriegen. Und den hatten weder er noch ich in dem Moment.
Jetzt stehen Grave Digger ja auch für eine bestimmte Richtung: Traditioneller Heavy Metal. Da ist man natürlich auch musikalisch immer ein bisschen limitiert. Chris meinte dann, ob ich mit vorstellen kann, einen zweiten Gitarristen in die Band zu holen. Genau das hatte ich auch ihn schon gefragt, als ich 2000 in die Band eingestiegen bin. Die Riffs schreien ja auch nach einem zweiten Gitarristen. Die Wahl fiel dann schnell auf Thilo. Er ist ein alter Bekannter. Ich habe früher sogar mit ihm in einer Musiker-WG gewohnt. Er hat um eine Woche Bedenkzeit gebeten, aber schon am nächsten Tag gesagt: „Ich hab‘ Bock, ich bin dabei!“
Die Scheibe klingt auch besser als der Vorgänger. Liegt es an der zweiten Gitarre?
Nein – wir sind da ganz Basic-mäßig rangegangen. Wir haben uns schon vorher beim Songwriting zusammengesetzt und überlegt: Wir wollten auf der Scheibe so klingen, wie wir live rüberkommen.
Kreator haben ihr neues Album live eingespielt. Für euch auch eine Alternative?
Auf jeden Fall! Ich habe gerade eben einen Track von der neuen Scheibe gehört. Sie klingt sehr geil – als ob man mittendrin sitzt. Nur muss man den Mut dazu natürlich haben – da muss man vorher viel üben. Könnte ich mir aber sehr gut auch für uns vorstellen.
Viele werden nach den Zugang von Thilo Hermann und dessen Running-Wild-Vergangenheit gedacht haben: Jetzt bietet sich ja förmlich ein Piraten-Konzeptalbum an.
Piraten? Um Gottes willen. Nein (lacht). Bei den Ideen, die Thilo uns vorgespielt hat, war schon einiges dabei, was ohne Probleme auch zu Running Wild ins Programm gepasst hätte. Aber Chris hat nun mal eine ganz eigene Weise, die Songs zu arrangieren – das ist das, was die Grave-Digger-Songs letztendlich ausmacht.
Auch wenn der Titel es erneut andeutet, so liegt dieses Mal kein Konzept zugrunde. Wie kamt ihr zu dieser Entscheidung?
Chris hat über ein Konzept nachgedacht. Er wusste aber noch nicht so genau in welche Richtung. Da haben wir gesagt: Lass es doch einfach! Wenn man Grave Digger auf der Bühne sieht, schreit das nach allem – aber nicht nach einem Konzept. Wir spielen Heavy Metal – aus dem Bauch heraus.
Bereut ihr es manchmal, so viele Konzeptalben herausgebracht zu haben und von manchen darauf reduziert zu werden?
Nein –wir nicht. Bei den Fans ist das anders. Die einen die wollen ihr ganzes Leben die „Tunes Of War“ hören – andere bis zum Ende ihrer Tage lieber neue Platten. Wir machen das so wie wir denken – wir müssen ja selbst auch dahinter stehen können. Wir sind ja letztendlich genau so. Jeder ist so. Ich bin großer Motörhead- und Pantera-Fan – aber die neuen Platten? Manches ist nicht schlecht. Aber „Ace Of Spades“ oder „Vulgar Display Of Power“ gefallen mir eben besser! Deshalb kann ich die Fans gut verstehen, die lieber „Tunes Of War“ oder die Mittelalter-Sachen hören.
Vom Gründungsjahr 1980 gesehen werdet ihr nächstes Jahr 30! Bereitet ihr schon eine Geburtstagsfeier vor?
Es wird irgendetwas geben. Vielleicht einer Show. Chris beginnt gerade sich Gedanken zu machen. Genau wissen wir es aber noch nicht.
Ihr kennt die Szene jetzt seit langer Zeit. Die Gemeinschaft der Metal-Fans ist nicht mehr so groß wie früher. Es gibt eher verschiedene Strömungen. Wo sehr ihr die Zukunft des deutschen Heavy Metal?
Es ist schwer abzusehen. Heute ist alles sehr speziell: Da gibt es Black-Metal-Festivals, Death-Metal-Festivals und weiß der Henker was noch. Ich finde es Schade, wenn sich die Leute selbst so limitieren.
Lebt ihr von eurer Musik?
Ich versuche von der Band zu leben. Grave Digger sind etwa die halbe Miete. Nebenbei spiele ich noch in anderen Bands (z.B. Übergas – Anm. d. Red.), spiele für andere Bands im Studio Gitarren ein oder gebe Gitarrenunterricht. Chris hat eine Promotion-Agentur, Jens arbeitet bei Amptown, Thilo arbeitet für eine Firma, die Sachen für Pharma-Unternehmen herstellen. Stefan ist Drucker und HP macht Theater und literarisches Kabarett. Er hat da sein eigenes Programm. Um wirklich gut von der Musik leben zu können muss man ganz, ganz groß sein.
Wenn es schon schwer ist von der Musik zu leben, in welchem Verhältnis stehen denn die Kosten einer CD-Produktion zu den Einnahmen aus den Verkäufen?
Wir sind jetzt mit Grave Digger schon lange dabei. Wir bekommen einen Vorschuss, gehen dafür ins Studio und nehmen die Platte auf. Ich kenne aber genug Bands, die zahlen drauf. Es ist schwer, das pauschal zu sagen, weil es bei jeder Band anders ist. Bei Grave Digger ist es wie bei einer Firma: Chris ist der Chef, wir sind alle angeheuert und werden bezahlt für die Einsätze, die wir haben. Das ist manchmal schwierig. Wir müssen auch Auftritte ablehnen, wenn Gefahr besteht, draufzulegen. Andere Bands spielen dann vielleicht für einen Spritgeldbetrag.
Wenn eine junge Band ins Studio geht und die Aufnahmen selbst bezahlt um damit einen Deal zu bekommen und man dann hört, was die Band von der Plattenfirma am Ende für eine CD bekommt, denk ich mir: Jungs lasst es doch einfach! Nehmt eine CD auf wenn ihr Bock dazu habt und verschenkt sie einfach. Ich weiß nicht ob die Labels da etwas verschlafen haben. Aber korrektes Business sieht für mich anders aus. Der Musiker steht immer an letzter Stelle. Alle bekommen das was ihnen zusteht und der Musiker bekommt das was übrig bleibt. Wenn das nichts ist bekommt er halt nichts.
Ich arbeite selbst seit Jahren an Songs und ich weiß noch nicht, wie ich die CD verkaufen soll. Ich hab keine Lust, die Aufnahmen selbst zu bezahlen und dann zu einer Plattenfirma zu gehen und nix für die CD zu bekommen. Dann verkauf ich die lieber gegen ’ne Spende.
Eine Lösung wäre, das Studio einfach wegzulassen und alles selbst aufzunehmen.
Viele Bands denken, sie sparen Geld, wenn sie die Aufnahmen selbst machen. So klingt es am Ende aber oft auch. Ich hab auch ein Musikprogramm auf dem Laptop und kann jederzeit Aufnahmen machen. Es ist aber schon ein Unterschied ob ich die Aufnahme am PC selbst mache oder im Studio. Studios haben schon ihre Berechtigung. Ich hab zu den Jungs im Principal auch gesagt: Ihr seid schweineteuer, wo sich doch jeder die Programme selbst kaufen kann! Das Problem ist, dass die Leute oft keinen Überblick haben und das Studio soll dann Ordnung in die Aufnahmen bringen und es gut klingen lassen. Bei so vielen Myspace-Bands denkt man sich das doch. Die Bands präsentieren sich wie Profis aber man müsste ihnen sagen: Ihr klingt scheiße, lasst es doch einfach! Dort wirklich Qualität zu finden ist enorm zeitaufwändig.
Gut, dass man wenigstens bei Grave Digger immer weiß, was man hat!
Vielen Dank dafür, dass ihr so kleine Fanzines unterstützt und viel Spaß beim Konzert heute Abend!
Immer gerne! Danke, gleichfalls!
(mk)
Metal Aschaffenburg bedankt sich für dieses Interview bei Grave Digger, Napalm Records und dem Colos-Saal
http://www.grave-digger-clan.com/
http://www.myspace.com/ubergas
http://www.myspace.com/mannischmidt
Tags: Grave Digger
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