Geschenke und Stalker

Verfasst am 20. Dezember 2010 von Gringer (Kategorie: Interviews, Redaktionscharts) — 2.951 views

Die Happy im Interview

Passend zur Weihnachtszeit öffnen Die Happy ihre „Red Box“ im Colos-Saal, um die Anwesenden mit einem Konzert zu beschenken.
Vor der Bescherung schlich sich Metal-Aschaffenburg-Redakteurin Linda in den Backstagebereich des Colos-Saals, um bereits vorab einen Blick auf den Inhalt zu werfen – wurde dort aber von Sängerin Marta Jandová und Bassist Ralph Rieker aufgehalten und konnte sich nur unter dem Vorwand eines Interviews aus der Sache herausreden…

diehappyredboxcoverMetal-Aschaffenburg: Schön, dass ihr es pünktlich und sicher durch die Winterlandschaft geschafft habt um heute zum achten(!) Mal in Aschaffenburg zu spielen.
Diesmal mit eurem neuen Album „Red Box“.
In Flugzeugen gibt es ja die Black Box. Diese zeichnet alle Daten des Flugverlaufes auf. Könnte man dann bei euch sagen, dass die Red Box eine Aufzeichnung eures Fluges mit Die Happy ist?

Marta Jandová: Ja genau, dass sind sozusagen die Aufschreibungen unseres Fluges seit 17 Jahren. Da gibt es dann die ganzen Erinnerungen, die Wege, die wir gegangen sind, die schönen Gedanken, Sachen die wir erlebt haben. Aus dem heraus haben wir das neue Album geschrieben.

Nächste Assoziation: Rot – Box – Weihnachten.

(Beide lachen)

Welche Weihnachtswünsche gibt es denn bei euch? Was würdet ihr euch in die Box packen?

M: Ach, ich würde mir da ein iPad reinpacken, weil ich mir nach langem Hin-&-Her-Überlegen eins gekauft habe und drei Wochen später hat es mir jemand aus der Handtasche gestohlen.

Ehrlich? Na, dann müssen wir den verkloppen.

M: Na, ich weiß nicht, wer das war. Das ist ganz blöde.

Ralph Rieker: Wir nehmen den Nächstbesten.

M: Genau. Und ich würde ein paar schöne Bücher reintun. Ich würde eine schöne Badeessenz reintun, vielleicht einen Massagegutschein und vor allem: ganz viel Liebe!

War klar.

R: Gesundheit vor allem.

M: Stimmt. Und einen eine Million-Euro-Scheck.

R: Genau – Cash! Innere Zufriedenheit und Ausgeglichenheit. Das ist glaube ich das Allerwichtigste. Dann kann man auch mit allem entsprechend gut umgehen.

Das sind ja jetzt schon persönliche Sachen.
Mir ist aufgefallen, als ich mich auf das Interview vorbereitet habe: Man findet schon verdammt viel von euch. Also mit irgendwelchen kreativen Fragen war es echt schwierig. Alle Fragen, die an mich herangetragen wurden, konnte ich schon beantworten – die stehen schon hier und da.
Es Ist schon sehr interessant, wie viel man herauskriegt, wenn man sich mit einer Person beschäftigt.

R: Im Zeiten vom Internet sowieso.

Also es war echt extrem. Dann habt ihr auch noch eine sehr gute Fanseite. Spätestens dort hab ich dann den ganzen Rest gefunden. Irgendwann kam ich mir echt vor wie ein Stalker. Das war echt seltsam.
Ist es für euch schwierig das zu trennen – jetzt bin ich Die-Happy-Bandmitglied, jetzt bin ich Marta, jetzt bin ich Ralph? Kann man das so trennen – die private Person und die Bandperson?

R: Wir trennen das glaube ich gar nicht. Also ich kann jetzt nicht sagen, dass ich eine andere Person bin, wenn ich auf der Bühne stehe oder hier bin.

M: Ja, das stimmt schon, wir haben die große Priorität, dass wir keine Schauspieler sind.

R: Wir schlüpfen auch nicht in irgendwelche Rollen.

Die HappyDie Frage war eher, wann wird es zu privat?

M:
Dass Leute einen irgendwo entdecken wo man ungeschminkt ist, mit dem Handy ein Foto machen und es irgendwo einschicken oder online stellen, zum Teil gehört das dann dazu, bekannt zu sein. Aber wir sind ja auch nur Menschen und rennen nicht immer nur super gestylt durchs Leben, sind super geschminkt und super gut drauf und lächeln und immer wie auf einem Foto.

R: Ich weiß nicht, ich sehe immer gut aus und bin immer gut drauf. Da ist mir das relativ egal. (lacht und muss sich selber auf die Schenkel klatschen)

M: Was ich nicht mag ist, wenn Leute nicht das Gefühl haben genug von mir zu haben. Also wenn ich z.B. bei einer Facebook-Seite wirklich sehr fleißig über Sachen schreibe die ich gerade mache und dann noch extra Fragen darüber kommen oder wenn die merken, das ich noch ein privates Profil habe und auch da angefreundet werden wollen. Die ignoriere ich dann dort, weil es eben nur für meine Freunde und Familie gedacht ist – und dann schreiben sie: „Ach bitte, nimm mich doch…“
Aber ich schreib da sowieso kaum was rein, weil ich ja nicht mal Zeit hab‘, um auf dem öffentlichen Profil etwas zu schreiben.
Auch, wenn Leute mich irgendwie verfolgen, und sich merken wo ich wohne, damit sie meine Anschrift haben. Also das mag ich nicht mehr.

Ja, ich hatte ja auch eine Punkt, an dem ich gehadert habe, stalke ich jetzt weiter, verlockend ist es schon.

(Ralph wollte was sagen, wurde aber wieder vehement abgeschnitten)

M: Also wenn unsere Fans sehen, was ich für Freunde habe, dann googeln oder suchen sie die auf Facebook und wollen dann auch mit denen Freunde werden. Meine Stiefmutter und meine beste Freundin kriegen ständig Anfragen von irgendwelchen Fans. Ich sag dann: „Bitte, um Gottes Willen, nimm sie nicht an.“ Das finde ich, das geht schon zu weit.

Ich muss zugeben, dass ich mich auch durch die Listen klicke und schaue, ob ich jemanden kenne. Das gehört irgendwie heutzutage schon dazu. Eigentlich keine feine Sache, aber so ist es.

M: Ja, aber du würdest nicht auf die Idee kommen einer Freundin von Pink eine Freundesanfrage zu schicken. Okay, ich bin keine Pink, das meine ich nicht. Aber das finde ich komisch, wenn Leute versuchen irgendwie an noch mehr Infos ranzukommen. Das finde ich tatsächlich schon ein bisschen Internetstalkermäßig.

Du hast vorhin ein gutes Stichwort gesagt: Zeit!
Marta macht ja so dies und das (ZDF Neo-Musik, Popstars, Musicals, u.v.m. Anm. dr. Red. )
Wie bekommt ihr das als Band gebacken? Songwriting, Proben?

R: Ja, genau. Also es ist einfach eine Frage der Organisation. Mann braucht wirklich einen gut organisierten Terminkalender und ein gutes Management, der auch Martas private Termine koordiniert mit den Bandterminen und wenn Marta eben mal bei einer Probe nicht dabei ist.
Man kann das alles positiv nutzen. Proben wir zu Dritt, tut es auch mal ganz gut, wenn Marta nicht dabei ist. Dann kann man sich auf ganz andere Sachen konzentrieren und dann kommt Marta wieder für zwei, drei Proben dazu und dann wissen wir Jungs auch schon, was wir machen. Also es ist alles wirklich nur eine Frage vom Handling, der Organisation um einfach das Beste aus der Situation machen. Wir gönnen Marta alles was sie macht. Jeder gönnt dem anderen, was er sonst noch macht und wir wissen aber auch alle, dass das mit der Band eine obere Priorität hat und dass das wichtig für jeden ist. Solange das jeder weiß, solange das jeder vom anderen weiß, kriegt man das immer gut hin.

Als Normalsterblicher keucht man manchmal: „Oh, solange arbeiten und dann noch das und das und das.“ Wenn man dann mal Marta sieht, da fragt man sich dann schon: „Wie macht sie das?“

R: Das denk ich mir manchmal auch – wie macht sie das? Aber ich glaube, dass ist der große Vorteil, wenn man wirklich mit Leidenschaft bei seinem Beruf ist. Und für Marta ist es was völlig Neues mit dem Fernsehen oder jetzt auch in Deutschland im Fernsehen mit diesem Format. Da hat man auch am Anfang noch wahnsinnig viel Leidenschaft und Enthusiasmus und wahnsinnig viel Energie. Wahrscheinlich wird Marta nächstes Jahr kürzer treten, denn lange hält man das dann auch nicht durch. Man merkt dann schon, dass die Akkus auch mal leer sind.

M: Dann will man dann einfach nur nach Hause.

R: Nach harten Probenphasen kann ich die alle manchmal gar nicht mehr sehen, hab keinen Bock mehr auf die und dann, nach einer Woche oder zwei Wochen Pause kommt man wieder zusammen und es ist alles wieder cool.

Ihr habt gesagt, die Band hat Priorität eins. Wie viel Band macht denn euer Leben aus – ist Die Happy euer Leben oder gibt es noch ein Leben neben der Band?

R: Also, es war schon mehr unser Leben. Also früher, als wir vor 11 Jahren so in dieser Bandbesetzung zusammen waren, haben wir alle in Ulm gewohnt. Marta, Thorsten und ich haben sogar unter einem Dach gewohnt, da war es wirklich unser Leben – Tag und Nacht. Da gab es nichts anderes. Das hat sich ein bisschen geändert, auch dadurch, dass man ein bisschen abgebrühter, ein bisschen cooler in manchen Sachen ist, dass man Erfahrungen gesammelt hat. Wenn man jahrlang so fokussiert das macht, was wir gemacht haben, ist es ganz wichtig, dass dann auch die Zeit kommt, in der man auch Abstand dazu kriegt. Danach sind dann wieder Phasen, wo wir wissen, jetzt geht’s um alles, dann kommen wir wieder zusammen.

Die Happy bestehen ja schon seit 17 Jahren bzw. seit 11 Jahren in dieser Formation. Wie steht man denn solch eine lange Zeit des Aufeinanderhockens aus?

M: (in einem staubtrocken Ton) Ja, man gewöhnt sich dran.

R: (schmeißt sich weg und lacht) Ja, sogar an mich. Man gewöhnt sich an alles.

M: Nein, man gewöhnt sich dran mit so vielen Leuten so eine lange Zeit auf engten Raum zu sein. Man lernt – das ist das Interessante daran – seine Privatsphäre anders zu nutzen. Das ist echt lustig. So wie heute z. B.: Ich wollte kurz für mich alleine sein, hab‘ Zigaretten eingepackt und mich auf dem Klo eingeschlossen. Keiner konnte rein, keiner klopft und sagt, schnell geh weg oder so. Und nach den fünf Minuten war ich innerlich wieder da, wo ich hinkommen wollte. Oder im Bus haben wir diese Vorhänge, zwei m² Platz für sich alleine. Natürlich man hört alles, jeden Schritt, wenn jemand vorbei läuft, aber Kopfhörer, Musik, Vorhänge zu. Manchmal brauchst du einfach Musik, damit du nicht hörst, was da draußen ist. Das ist eine kleine spezielle Tourmeditation, wo man nicht meditiert, sondern ich kann super dabei einschlafen. Ich kann super seitdem einschlafen. Überall. Ich bin einmal in der Disco eingeschlafen. Da war wirklich laute Musik und ich war direkt neben der Box. Also nicht so, dass es in mein Ohr ist, sondern ich hab mich so an die Box angelehnt und bin eingeschlafen. Wie ist das möglich?

Die HappyDu hast Drogen genommen – ganz klar.

M: Nein, weil ich das vom Bus gewöhnt bin. Da wird gefeiert, der Bus fährt und wackelt und ich wenn ich müde bin, leg‘ mich ins Bett und mach die Augen zu. Und ich mag sogar die Geräusche. Dass jemand da ist, dass sie glücklich sind, dass sie sich unterhalten, dass sie lachen.

Ja, okay. Man denkt dann so an Kleinigkeiten. Mich nervt manchmal die kleinste Kleinigkeit, wo ich denk‘: „Boah, wenn ich mit dem drei Monate unterwegs wäre…“

R: Also manchmal nervt einen auch die kleinste Kleinigkeit. Sie nervt einen zu Tode, aber man kann es mittlerweile handeln.

Man lernt damit umzugehen?

R: Man frisst es nicht mehr so in sich rein. Vielleicht ging es fast jedem von uns schon einmal so, dass man selbst ins sich rein gefressen hat, aber es gibt bei uns auch immer so die Regel, bevor wir auf die Bühne gehen, muss vorher irgendwie Friede, Freude, Eierkuchen sein. Wir nehmen so was nie irgendwie mit auf die Bühne.

M: Ja, das wäre fatal.

R: Man spricht dann gar nicht mehr drüber und es ist einfach okay oder man sucht ganz schnell einfach ein klärendes Gespräch, quatscht da kurz drüber und jeder weiß vom anderen wie er drauf ist und dann ist auch wieder alles okay.

Ich soll nicht immer soviel labern, deswegen hör ich gleich auf.
Eine Frage noch – Thema Fanclub. Der scheint sehr gut organisiert und hat auch eine schöne Seite (gute Fundgrube). Heute ist z. B. nur für Fanclub-Mitglieder so ein – äh…

R: Ein Clubtreffen.

Im Colos-Saal scheint das ja zu klappen. Aber spielen die Clubs da alle mit oder ist es ein Problem das zu organisieren?

R: Wir sind nachher gar nicht im Colos-Saal, wir gehen woanders hin.

Ach so. Na toll, dann ist meine Frage ja total im Arsch.

M: Nein, das macht nichts. Der Fanclub fragt an, ob sie einen Raum haben können, eigene Getränke, Musik, ein DJ-Pult aufbauen können oder wir gehen in irgendeine Kneipe. Manchmal haut es hin und es ist cool und einmal haben sie uns direkt wieder aus der Kneipe rausgeworfen. Die wollten nichts verdienen mit fast 50 Leuten. Die haben lieber zugemacht und sind ins Bett gegangen statt die Gäste zu bedienen, aber das ist schon super wichtig. Obwohl ich sagen muss, ich hätte lieber so ein kleines Clubtreffen so Nachmittag mit Kaffee und Kuchen. Irgendwo und Film gucken gemeinsam oder irgend so was. Auf der Bühne – ich mach‘ ja meinen Mund nicht zu, ich steh‘ kaum ’ne Sekunde und nach fast zwei Stunden spielen brauch‘ ich erstmal ’ne halbe Stunde um runterzukommen. Und duschen und umziehen und kurz ausatmen und alles gemütlich machen? Ich muss mir dennoch die Zeit nehmen, dann nach dem Konzert auch noch gehetzt zu sein, das macht mich unentspannt.

Ja, hübsch musst du dann auch wieder sein.

M: Nein, das ist egal. Als Die-Happy-Sängerin muss ich nicht hübsch sein.

Immer diese Untertreibungen… Danke fürs Interview!

(lkb)

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