Blind Guardian – „At The Edge Of Time“

Verfasst am 08. August 2010 von Manuel (Kategorie: CD-Rezensionen) — 2.480 views

Zurück in die Zukunft

Was wurde diese Band nicht nach den letzten beide Alben gescholten: Keine hohen Screams mehr von Hansi, keine schnellen melodischen Riffs mehr, Überproduktion mit zu vielen Spuren übereinander, die man nicht einzeln identifizieren kann, fehlende Eingängigkeit.
All das lassen Blind Guardian auf ihrem neuen Album hinter sich und zeigen ihren Kritikern, dass sie immer noch zu „großen“ Alben fähig sind!

Zusammengehalten wird „At The Edge Of Time“ von den beiden überlangen Liedern „Sacred Worlds“ und „Wheel Of Time“, welche beide mit einem kompletten Symphonieorchester hinterlegt wurden. Schon hier wird mit einem großen Kritikpunkt der letzten Alben aufgeräumt, es klingt zwar bombastisch, ist aber gleichzeitig so transparent, dass man jede Nuance des Orchesters im Hintergrund heraushören kann, wenn man möchte.
Sacred Worlds“ war ursprünglich eine Auftragskomposition für das Computerspiel „Sacred II“ und befindet sich nun in einer längeren und überarbeiteten Version auf dem Album. Eingeleitet von einem Teil, der auch aus einem Filmsoundtrack stammen könnte, entwickelt sich eines der besten Lieder, die Blind Guardian jemals geschrieben haben. Ruhiger in den Strophen, treibend und griffig im Refrain, welcher sich zu einem absoluten Ohrwurm entwickelt. Das alles untermalt vom, zu keinem Zeitpunkt aufdringlich wirkenden, Orchester. In der Bridge des Songs sind einige für ältere Blind-Guardian-Veröffentlichungen typischen Leads zu finden und Hansi Kürsch singt so facettenreich wie selten zuvor.
Mit dem zweiten Lied „Tanelorn (Into The Void)“ wird die Orchestrierung erst einmal wieder über Bord geworfen und die Krefelder besinnen sich auf ihre ganz frühen Speed-Metal-Wurzeln zurück. Blind Guardian schaffen es, den Geist ihrer Großtaten wie „Tales From The Twilight World“ aufleben zu lassen und trotzdem nicht altbacken oder „retro“ zu klingen. Der Gesang ist auch gerade hier wieder hervorzuheben, denn Hansi lässt hier einige ziemliche Schreie heraus, die man ihm ehrlich gesagt nicht mehr zugetraut hätte.
Zur Entspannung nach diesem Höllenritt in die Leere wurde das, in weiten Teilen von einem Klavier getragenene, „Road Of No Release platziert. In diesem anfangs eher im Midtempo gehaltenen Lied wird vor allem durch das Klavier im Hintergrund, durch Einsätze eines Chors und die Temposteigerung hin zum Ende für einen gewissen Pathos und Epik gesorgt.
Das treibende, sehr stark rifforientierte „Ride Into Obsession“ stellt sich danach erneut als reinrassige Speed-Metal-Nummer heraus, bei der durch Herausnahme des Tempos an einige Stellen geschickt Spannung aufgebaut wird. Hansi singt hier so aggressiv wie man ihn schon lange nicht oder in dieser Form vielleicht noch nie gehört hat.

Wer an dieser Stelle noch nicht vollkommen besessen ist und eher Fan der folkig angehauten Stücke von Blind Guardian ist, bekommt mit „Curse My Name“ genau sein Stück Musik. In der Tradition eines „Modreds Song“ steigert sich diese Halbballade von anfänglichen Flöten und Trommeln immer weiter und endet schließlich mit den E-Gitarren.
Ein besonderes Stück, welches höchstwahrscheinlich bei den Liveauftritten großen Anklang finden wird, ist das hymnische „Valkyries“, das mit so einem so bombastischen Chorus aufwartet, der nur darauf wartet von einem großen „Publikumschor“ mitgesungen zu werden.

Mit „Control The Divine“ spielen Blind Guardian wieder stark mit dem dynamischen Wechsel eines eher ruhiger Teils und folgenden Ausbrüchen mit hohen Screams und kurzen Chorpassagen, was diesem Lied ziemlich gut zu Gesicht steht. „Control The Divine“ hätte von seinem vertrackten Aufbau sicherlich auch gut auf „A Night At The Opera“ gepasst und wäre dort auch herausstechend gewesen. „War Of The Thrones“ kommt komplett ohne typische Metal-/Rock-Intrumentierung aus und Hansis wunderschöner Gesang wird hauptsächlich von Klavier, Streichern und zum Refrain einsetzenden Trommeln untermalt. Hier beweisen Blind Guardian, dass sie immer noch das Gefühl für große Melodien und tolle Harmonien haben, was man ihnen vielleicht nach den letzten Veröffentlichungen hätte absprechen wollen.


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Bewertung: 15/15 Punkte
Genre: Power Metal
Herkunft:
Deutschland
Label: Nuclear Blast
Veröffentlichungsdatum: 30.07.2010
Homepage:
www.Blind-Guardian.com

Tracklist

  1. Sacred Worlds
  2. Tanelorn (Into The Void)
  3. Road Of No Release
  4. Ride Into Obsession
  5. Curse My Name
  6. Valkyries
  7. Control The Divine
  8. War Of The Thrones
  9. A Voice In The Dark
  10. Wheel Of Time

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Es folgt das bereits als Vorab-Single ausgekoppelte „A Voice In The Dark“. Von der ersten Sekunde an nach vorne preschende Gitarren prägen dieses Stück, welches in einem, für Blind Guardian so typischen, mitsingbaren Refrain mündet.
Das ursprünglich für das Orchesteralbum geplante „Wheel Of Time“ besticht mit einem leicht orientalischen Touch, welcher diesem Lied sehr gut steht. Dem Orchester wird hier weit mehr Raum gewährt als noch im Eröffnungssong, jedoch bekommt auch das Gitarrengespann Siepen und Olbrich ihren Platz, was dazu führt, dass das große Finale dieses Albums nach einer perfekten Symbiose aus Orchester und Metalband klingt. Über Hansi Kürschs unglaublich kraftvollen Gesang in diesem Lied braucht man nichts weiter zu schreiben.

Wer es nun geschafft hat, bis an diesen Punkt der Review durchzuhalten, dem muss eigentlich nichts mehr gesagt werden. Blind Guardian präsentieren mit „At The Edge Of Time“ ihr bestes Album seit mindestens „Nightfall In Middle-Earth“. Lyrisch beschäftigen sich die Lieder allesamt mit Themen aus der Fantasyliteratur, wie zum Beispiel G.R.R. Martins „Das Lied von Eis und Feuer“ oder der Reihe „Das Rad der Zeit“ von Robert Jordan.
Blind Guardian besinnen sich auf diesem Release auf die Stärken ihrer früheren Alben, kombinieren diese mit neuen Elementen, wie beispielsweise dem auf zwei Lieder eingesetzten Orchester, und schaffen es dabei, ihrem eigenen Stil treu zu bleiben und trotzdem frisch und absolut auf der Höhe der Zeit zu klingen. Die Krefelder bieten auf diesem Album den Kritikern keinerlei Angriffsfläche und wenn sie diese neuerlich gewonnene Kreativität behalten, kann das wiedererstarkten Flaggschiff des Power Metal noch einige hochklassige Alben veröffentlichen bevor es in einen Hafen einläuft! (ms)


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