Metal im Nahbereich
Verfasst am 15. Juli 2010 von Michael Klein (Kategorie: Festival-Rezensionen) — 2.638 viewsTraffic Jam Open Air 2010: 16. + 17.07.2010
Verkehrsübungsplatz, Dieburg
Wer die Festivalsaison in der Umgebung von Aschaffenburg schon früh beginnen lassen wollte war auf dem Verkehrsübungsplatz in Dieburg (Lkr. Darmstadt-Dieburg) möglicherweise richtig. Es handelte sich nicht um ein reines Metal-Festival, doch die Auswahl auch an Bands der heftigeren Gangart ließ doch aufhorchen und die unmittelbare Nähe war ein definitiver Pluspunkt.
Konkret geht es um das Traffic Jam Festival(http://www.trafficjam.de). 25 Bands sowohl aus der Umgebung als auch von deutlich weiter weg gaben sich die Ehre, den Sommer noch heißer, als er ohnehin schon zu diesem Zeitpunkt war, werden zu lassen, darunter internationale Größen wie Evergreen Terrace (USA), Russkaja (A), H2O (USA) und der diesjährige Special-Act Combichrist (NOR/USA). Für Freunde der etwas leichteren Musik standen auch zahlreiche Punk und Ska Bands auf der Bühne.
Der engagierte Festivalbesucher machte sich nebst Kollegen in freudiger Erwartung schon morgens um 05:00 Uhr auf den Weg zum Campingplatz, selbst obwohl dieser erst um 07:00 zugänglich gemacht werden sollte, um einen günstigen Platz zu ergattern; ca. 30° im Schatten ließen es ratsam erscheinen solchen aufzusuchen.
Freitag, der 16. Juli wurde um 14:30 Uhr mit der Band Funkfragen eröffnet. Nicht Metal, trotzdem keineswegs für uninteressant, wurde die Mischung aus Pop, Punk und Ska befunden; die heiße Mittagssonne ließ sich mit den eingängigen Songstrukturen gut ertragen. Instrumentales Können wurde insbesondere seitens des Saxophonisten gezeigt, auch der Rest der Band konnte überzeugen.
New Year’s Resolution, angekündigt als Deathcore / Metalcore, eröffneten ihren Auftritt mit einer großen Menge Lärm, der eine ganze Weile anhalten sollte. Trotz passabler Bühnenperformance und musikalisch erkennbarem Potential wollte der Auftritt keine so rechte Wirkung entfalten, ein Grund hierfür war das Zusammenspiel. Mit einigen Verbesserungen hieran dürfte die Band aber viele Möglichkeiten haben, weitere gute Shows zu spielen.
INHUMAN hinterließen keinen bleibenden Eindruck.
Ab 16:20 Uhr wurde man von Black Velvet bespielt. Obwohl ich grundsätzlich kein Fan von Punk und Hardcore bin, ließ die aus diesen (und weiteren verschiedenen) Elementen zusammengestellte Mischung aufhorchen. Reichlich Applaus und gute Stimmung bei den Zuhörern ließen auf Sympathien dort schließen, was angesichts der Darbietung auch gerechtfertigt erschien. Gewöhnungsbedürftig: Der Gesang.
Mit politischen Einlagen und Blechbläsern fanden sich danach Redska auf der Bühne ein. Fröhlicher Ska / Punk gepaart mit (genretypischem?) „Antifaschismus“ fand beim Publikum recht unterschiedlichen Anklang; wer jedoch der Band primär die musikalische Seite anrechnete kam wohl zu einem guten Ergebnis, denn Qualität war in dieser Hinsicht auf jeden Fall geboten. Reichlich Interaktion mit dem Publikum und viel Bewegung „on stage“ sorgten für ein kurzweiliges Konzerterlebnis mit den Italienern.
Wesentlich deftiger ging es zu bei 47 Million Dollars feat. Mädness. Mit hohem Tempo und aggressivem Gitarrenspiel wurde Song um Song in Richtung der Hörer geworfen; diese widerum zeigten reges Interesse. Die von unterschiedlichen Metal-Einflüssen geprägte Musik, von der Band selbst bezeichnet als „90er Jahre Hardcore“ führte zu Tanzaufführungen seitens der Fans und wusste auch dem nicht-Hardcorebewandten Zuschauer zu gefallen. Getöse und Geschrei könnten insgesamt etwas melodischer ausfallen, wer jedoch ein energiegeladenes Konzerterlebnis suchte, kam bei 47 Million Dollars feat. Mädness in jedem Fall auf seine Kosten.
Bleed from Within – angetreten mit einer Ersatzgitarristin – toppten jedoch die soeben gelieferte Vorstellung. Mit fliegenden Haaren und brüllenden Gitarren bewiesen die Fünf, dass das Vorurteil vom „geizigen Schotten“ wohl hier kaum zutreffen dürfte – zumindest nicht in musikalischer Hinsicht, denn gegeben wurde einiges. Die beeindruckende Gesangs / Schrei-Performance von Sänger Scott Kennedy rundete den Sound nach oben „krachig“ ab. Im Publikum schlug man wild um sich und rannte im Kreis.
Nicht von minderem Tempo traten Six Reasons to Kill auf. Große Resonanz kam seitens der Hörer nicht zum Vorschein, was angesichts der Musik etwas verwunderte, jedoch endete die aktive Konzertteilnahme schon wenige Reihen hinter dem Zaun. Nichtsdestoweniger spielten SRTK eine gute Show, wenn auch das Songmaterial mutmaßlich nicht jedermanns Geschmack treffen wird.
The Bottrops: Leider verpasst
Einer der Headliner betrat um 22:35 die Bühne: Evergreen Terrace, und begannen sogleich damit, eine brisante Mischung aus Harcore und melodischer Rockmusik – „melodic Hardcore“ – zum Besten zu geben. Sofort herrschte Unruhe, und der Pit ließ auch nicht lange auf sich warten, ein Fan wurde (nasen-)blutiges Opfer eines hoch angesetzten Fußes. Mitziehende Refrains und kräftiger Gesang taten ihre Wirkung als zentrale Elemente einer dichten und gut durchdachten musikalischen Performance. Selbst als „genrefremder“ Zuhörer konnte man gut Gefallen daran finden.
Der Hauptact des Freitags sollte nicht lange auf sich warten lassen: Um 23:55 Uhr begannen Combichrist ihre Show. Harte Rhythmen und elektronische Klänge ließen das Publikum augenblicklich in Bewegung verfallen, was angesichts der Menschenmasse direkt vor der Bühne nicht ohne Probleme vor sich ging (insbesondere wenn verschwitzte, beleibte Männer mit nacktem Oberkörper sich innerhalb desselben befinden). Hohes Tempo und virtuoses Percussionspiel trieben die Stimmung weiter nach oben. Auch wenn bestimmte Klassiker – ein Fan vermisste Songtitel wie „this Shit will fuck you up“ – sich nicht im Set befanden wurde eine gute Vorstellung abgeliefert, obwohl man sich zum Schluss auch der Verwunderung über zerdepperte Instrumente nicht erwehren konnte. Um Punkt 01:00 wurde das Konzert ohne Zugabe beendet, was bei vielen Anwesenden Unzufriedenheit hervorrief, die jedoch mutmaßlich weniger der Band zuzurechnen wäre als den Lärmschutzauflagen.
Tag 2 des Traffic Jam Festival begann für den rezensierenden Redakteur erst um 19:00 Uhr mit Ghost of a Thousand. Trotz gewaltigen Einsatzes aller Bandmitglieder und nicht zu verachtendem Songwriting – für Punk Rock, was es laut Beschreibung war, hielt es nicht jeder Zuschauer sofort – gelang es nicht wirklich große Teile des Publikums mitzureißen.
Sylosis trafen den Geschmack des Metal-affinen Zuhörers vom gesamten Festival mit am besten. Hohe Geschwindigkeit, saftiger Gitarrensound und virtuoses Spiel ließen den Auftritt der vier Briten zu einem „thrashigen“ Erlebnis werden, das den Vergleich mit deutlich namhafteren Vertretern des Genres nicht zu scheuen braucht. Lobend zu erwähnen ist das gute Zusammenspiel der Band sowie die Fähigkeit des Sängers, gleichzeitig auch noch Gitarre zu spielen – und beides durchweg passabel. Obwohl sich das Publikum nicht insgesamt zu Headbangorgien oder zur Betätigung im Moshpit veranlasst sah, dürften Sylosis einen guten Eindruck hinterlassen haben.
„High Speed Russian Style Ska“ nennt sich die Stilrichtung der sich Russkaja verschrieben haben, und wer sie gesehen hat, weiß dass diese Bezeichnung auch durchaus treffend ist. Ein für das Genre verhältnismäßig großes Aufgebot an Instrumentalisten (elektrische Violine, Saxophon, Posaune, Bass, Schlagzeug, Gitarre, Gesang) heizte vom ersten Song an dem Publikum ordentlich ein, und schaffte es innerhalb kurzer Zeit dieses auch auf seine Seite zu bringen, wobei die Interaktion des Frontsängers Georgij Makazaria mit diesem ein Übriges tat. Die Ankündigung einer Reise in den „Kosmos“ mit gemeinsamem Handanfassen und „abheben“ wurde ebenso mit reichlicher Beteiligung entgegengenommen wie das förmliche „Umpflügen“ des Bodens vor der Bühne („Traktor, Traktor!“). Kraftvolle Refrains und eingängige Rhythmen – die keineswegs nur Ska Fans gefallen dürften – in Kombination mit einem beeindruckenden Live-Antritt der gesamten Band ergaben, so dieser beendet war viele verschwitzte, aber zufriedene Hörer.
The Sorrow gaben mit hoher Lautstärke und Geschwindigkeit – insbesondere letzterem – ihren Auftakt. Selbst wer dem Metalcore davor nicht sonderlich zugeneigt war, konnte sich dem Bann der vier Österreicher nicht vollends entziehen, insbesondere aufhorchen ließ der cleane Gesang, der unterlegt von donnernden Gitarren – ebenso genau wie kräftig gespielt – seine Wirkung voll entfaltete. Die Songs ließen sich live aktiv wie passiv gut hören: Sowohl viel Bewegung vor der Bühne als auch aufmerksam zuhörende Fans weiter außen sprechen für einen guten Anklang insgesamt. Erwähnenswert ist außerdem der ästhetische Bühnenaufbau (s. Fotos).
Das Traffic Jam 2010 fand seinen Ausklang mit Hilfe der Unterstützung zweier Metal DJs. Insgesamt waren die zwei Tage vollends zufriedenstellend verlaufen, positiv zu bewerten sind insbesondere:
– Der Sound, der zu keinem Zeitpunkt Anlass zu Beanstandungen gab
– Das Angebot an Essen (welches nicht einmal sonderlich teuer war)
– Die nah gelegene und schöne Örtlichkeit: Zelten war sogar im Schatten (!) möglich
– Ausreichendes Angebot an sanitären Anlagen (wenn auch unzureichend mit Seife und Handtüchern ausgestattet)
Auf eine Wiederholung 2011 darf man sich freuen – es wird mit Sicherheit auch für den Metal-Freund etwas dabei sein. (wh)
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