Genuckelt und Geblastet

Verfasst am 03. November 2007 von Michael Klein (Kategorie: Festival-Rezensionen) — 3.370 views

„20 Jahre Nuclear Blast“-Festival

27.10.2007 – Hanns-Martin-Schleyer-Halle, Stuttgart

Vor 20 Jahren begann der Metal-Fan Markus Staiger im beschaulichen Donzdorf Platten zu verkaufen. Niemand konnte sich damals vorstellen, was der schwäbische Initiator damit noch erreichen sollte. Denn nach und nach wurde aus dem Ein-Mann-Kinderzimmervertrieb ein immer größer werdendes, wachsendes Unternehmen, dessen Produkte ein Jeder von uns zuhause in seinem CD-Regal stehen hat: Nuclear Blast. Zwei Dekaden später ist es an der Zeit, dieses Jubiläum gebührend zu feiern. Nach dem Geburtstags-CD-Doppelschlag „Into the Light“ und „Out of the Dark“ und der Jubiläums-Vierfach-DVD sollen die Feierlichkeiten durch ein großes Konzert ihren Höhepunkt finden. Mit dabei: Fünf große Bands aus dem Nuclear-Blast-Portfolio und jede Menge Überraschungen.

Bei unserer Ankunft Überrascht uns schon die Größe der Halle: Mit 13000 Sitz- und wahrscheinlich ebenso vielen Stehplätzen ist Stuttgarts Hanns-Martin-Schleyer-Halle genauso imposant anzusehen wie die darin errichtete Bühne, welche von zwei großen Leinwänden flankiert ist. Um die Umbaupausen kurzweiliger zu gestalten, werden auf diesen immer wieder Videos, Trailer und Bilder aus NBs Anfangszeiten gezeigt.

Nachdem wir uns die Lokalitäten und die in einer separaten Halle (!) untergebrachten Merch-Stände angesehen haben, wurde es Zeit der ersten Band des Abends ein wenig näher zu rücken.
Die kanadische Todesschwadron Kataklysm hat die Ehre, das Geburtstagsfest zu eröffnen und hinterlässt eine Spur der Verwüstung. Als härteste Band des Abends gibt das Quartett gleich zu Beginn Vollgas und beweist eindrucksvoll, dass Sie heute keine Randerscheinung zwischen „softeren“ Bands sind, sondern dass viele Fans sogar extra wegen Ihnen angereist zu sein scheinen. Doch nicht nur diese freuen sich über Live-Granaten wie „As I Slither“, „Crippled and Broken“ oder „In Shadows and Dust“. Bei transparentem, druckvollem Sound werden die vier Jungs von den Anwesenden gebührend gefeiert. Ein perfekter Opener!

Nach einer kurzen Umbaupause und der darin enthaltenen Ehrung von Nuclear Blasts Kopf Markus Staiger geht die Party mit einer stilistisch vollkommen anderen Band weiter: Edguy.
Diese präsentieren sich nach beendeter USA-Tour bestens eingespielt und eröffnen mit „Mysteria“ ein kurzweiliges Set voller typischer Edguy-Hymnen. Da mir die nicht ganz so helloweenesken, rockigeren Stücke eher liegen, gefällt mir die Band bei „Superheroes“, „Lavatory Love Machine“ oder „King of Fools“ am besten, wobei auch der Rest des gespielten Materials bei den Fans hervorragend ankommt. Vor allem Sänger Tobi versteht es mit seiner hyperaktiven, energiegeladenen Performance mitzureißen. Das sehen die zahlreich anwesenden Dimmu-Borgir-Fans zwar anders, doch Edguy können die Bühne nach einer Stunde mit mehr als nur Achtungsapplaus verlassen.

Überhaupt ist es toll anzusehen, wie bunt gemischt das Publikum bei den Auftritten der Bands ist. Guardian-Fans bei Kataklysm, Black Metaller bei Edguy und Sally-Fans bei Dimmu. Keine Buh-Rufe – nur Fair Play!
Auf Subway to Sally sind viele der Anwesenden ganz besonders gespannt. Vor einer Woche erschien mit „Bastard“ das bereits neunte Studioalbum der Potsdamer und das heutige Konzert stellt die Feuertaufe des neuen Materials dar. Der „Canticum Satanae“ eröffnet für das „Hohelied“ den mit einer gewaltigen Pyro-Explosion garnierten Einstieg in das Konzert, ehe nach zwei weiteren neuen Songs die erste Neugier des Publikums gestillt ist. Eine hervorragend gelaunte Band und eine ebenso gut eingestimmte Fanschar spornen sich gegenseitig zu Höchstleistungen an, welche in imposanter Stimmung und lauten Chören gipfeln. Mit dem genial inszenierten „Die Trommel“ und den bereits in Wacken vorgestellten „Auf Kiel“ und „Meine Seele brennt“ werden drei weitere neue Songs ins mit einigen Klassikern gespickten Programm des Siebeners eingeflochten bevor nach einer viel zu kurzen guten Stunde auch schon wieder Schluss ist. Zwar rufen danach viele noch nach dem nicht gespielten „Julia und die Räuber“, doch nach diesem optischen und akustischen Leckerbissen kann niemand wirklich traurig sein. Hervorragend!

Da wir Dimmu Borgir gemeinschaftlich nicht zu unseren Favoriten zählen, fallen die düsteren Norweger unserer Essens- und Ruhepause zum Opfer. Wir sehen mit „Mourning Palace“ noch den von vielen Pyros und mit auf großer Backdrop-Leinwand projizierten Videoschnipseln untermalten Schlusspunkt des Sets. Der große Applaus lässt darauf schließen, dass die skandinavischen Düsterheimer den Geschmack der Masse getroffen haben. Bei so vielen Dimmu-Shirt-Trägern war dies aber wohl auch ein leichtes Spiel und somit ein Pflichtsieg für die Band.

Mit der Ermittlung des deutschen Guitar-Hero-Meisters wird die Umbaupause überbrückt, bevor mit Blind Guardian der Headliner der Geburtstagsparty auf der Bühne stehen darf.
Die Krefelder starten wie gewohnt mit „Into the Storm“ ins Set. Diesmal allerdings mit einer ungewollten Instrumental-Version, da vom Gesang rein gar nichts zu hören ist. Macht aber nichts: Denn die textsichere Schar vor der Bühne singt jede Zeile lautstark mit. Man kann Blind Guardian sicher vieles vorwerfen: Statische Bühnenperformance, miserable Ansagen und eine fast immer gleiche Setlist. Jedoch spielen die vier Jungs (unterstützt wie immer von Oliver Holzwarth am Bass und Michael Schüren am Keyboard) auf so hohem Niveau, dass man nur den Hut ziehen kann. Da macht es auch nichts aus, wenn kaum Überraschungen auf der Setlist stehen. Außerdem sind Songs wie „The Script For My Requiem“ oder „Imaginations From The Other Side“ Stimmungsgaranten mit denen die Band nichts falsch machen kann. Die Leinwand im Hintergrund sowie die Lichtsäulen untermalen die Songs stimmungsvoll, und es kommen sogar ein paar vereinzelte Pyros zum Einsatz. Mit dem wie immer eindrucksvollen „The Bard’s Song (In The Forest)“ und dem abschließenden „Mirror, Mirror“ beenden Blind Guardian den offiziellen Teil der gelungenen Jubiläumsfeier von Nuclear Blast.
Wenige Minuten später schallt dann mit „Don’t You Fear The Winter“ die Eröffnung des heimlichen Höhepunktes von der Bühne. Die Rage-All-Stars haben sich eingefunden um mit erlesenen Gästen ein kurzes Feuerwerk abzuliefern. Feuerwerk im wahrsten Sinne: Während der gespielten Songs kracht und knallt es an allen Ecken und Enden. Da werden Pyros gezündet, Glitter von der Decke gestreut, Funken auf die Bühne geregnet und Feuerwerksraketen (über die Anwesenden hinweg!) mitten in die Halle geschossen. Als Soundtrack für dieses Inferno dienen zuerst zwei Songs vom Jubiläumsalbum „Into the Light“: Das brachiale, von Peavy gesungene „Terrified“ und das von Destructions Schmier ungeprobt in die Menge gefeuerte „Bloodsucker“. Danach geht’s bunt her: Iron Maidens „The Trooper“ wird intoniert von Victor Smolski, Marcus Siepen und Tobias Exxel an den Gitarren, Peavy an Gesang und Bass und Michael Simon von Subway am Schlagzeug. Geil! Beim nachfolgenden „Highway To Hell“ zeigt Schmier, dass er nicht nur Thrash singen kann, bevor Doro mit „All We Are“ schon das Ende der viel zu kurzen All-Star-Session einläutet. Doch man soll ja bekanntlich aufhören, wenn es am schönsten ist.

Die After-Show-Party im Stuttgarter LKA war danach nicht nur etwas schwer zu erreichen (von einem Shuttle war nichts zu sehen, Stuttgarts Taxifahrer wissen zwar wo die Schleyer-Halle ist, aber vom LKA haben sie noch nie etwas gehört), sondern auch etwas seltsam. Es war absolut kein Zusammenhang mit dem Jubiläum von Nuclear Blast festzustellen, obwohl es so präsentiert wurde. So sind wir dann nach nur zwei kleinen Bierchen schon wieder in Richtung Hotel verschwunden.

Man kann Nuclear Blast nachträglich nicht nur zu 20 Jahren Bestehen, sondern auch zu einer höchst gelungenen Feier gratulieren. Tolle Bands und tolle Stimmung ließen nicht verwundern, wenn aus dem einmalig geplanten Event plötzlich ein jährliches Indoor-Festival entstehen würde. (mk)

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