Pronther

Verfasst am 20. März 2022 von Michael Klein (Kategorie: Band Of The Month, Interviews, Regionale Bands) — 1.669 views

Man tut den Jungs von Pronther sicherlich kein Unrecht, wenn man sie als Urgesteine der regionalen Musikszene bezeichnet.
Jüngst hat das Quartett aus dem Raum Miltenberg das Comeback-Album „Lasst und frei sein!“ veröffentlicht, das nicht nur bei uns einige Fragen aufgeworfen hat und neben allem Unterhaltungswert auch für Diskussionen sorgen dürfte…

Sänger Buffa stand uns dazu Rede und Antwort.


Metal Aschaffenburg: Hi Jungs! Erstmal Glückwunsch zum Comeback! Ihr singt zwar „Wir waren nie weg“. Aber es klafft trotzdem eine größere Lücke im Lebenslauf.
Was war mit Pronther in dieser Zeit los?

Buffa: Dankeschön für die Glückwünsche. Wir sind auch sehr froh, wieder mit Pronther agieren zu können. Wir hatten 2014 ja unser eigentliches Abschiedskonzert, aber das Interesse der Fans und der Liebhaber unserer Musik hatte nicht nachgelassen. Als dann das Voting vom JuKuZ Aschaffenburg kam, welche ehemalige Band nochmal auftreten soll und wir das Voting mit großem Abstand für uns entscheiden konnten, kam die zündende Idee, den Gig zu spielen. Und das hat enorm Spaß gemacht. In unregelmäßigen Abständen trafen wir uns dann, und ab 2019 haben wir die Sache konkret gemacht. Dann kam Corona …

Als Vorab-Single habt ihr „Patient Null“ veröffentlicht. Laut Facebook wurde der Text VOR Corona geschrieben. Trotzdem wirft der Track Fragen auf. Uns wurde dazu sogar eine Nachricht geschickt: „Machen Pronther jetzt Querdenkerpropaganda?“
Welche Message steckt denn hinter der Single?

Was machen wir? Querdenkerpropaganda? Haha. Keinesfalls. Wir sagen nur, was wir darüber denken. Der Titel selbst entstand im März 2020, als es mit dem Wissen über den Virus losging. Wir hatten eigentlich keine Ahnung, was danach kommen sollte, aber irgendwie haben sich die Medien überschlagen und mehr oder weniger den Song als Blaupause für die Nachrichten genommen. Dass man den Song falsch verstehen kann, können wir nachvollziehen. Aber so sieht man, dass die Worte angenommen werden und Leute sich darüber Gedanken machen. Aber in eine Ecke lassen wir uns nicht drängen.

Auch „Der letzte Stich“ (mit einer Anspielung auf „Impfpflicht“ und „Kennzeichnungen“) und der Titel „Lasst uns frei sein!“ lassen viele Vermutungen zu.
Ohne klares Statement läuft man Gefahr, dass die eigentliche Intention missbraucht werden kann.
Also: Welche Aussage wollt ihr mit „Der letzte Stich“ und „Lasst uns frei sein!“ treffen?

Der letzte Stich. Dieser Song ist auf die allgemeine Situation bezogen, dass man aufgrund der aktuellen Nachrichtenlage sich quasi einen medialen goldenen Schuss setzen kann. Wenn man alles glaubt, ob Meldungen zur Pandemie, Verschwörungstheorien, nukleare Bedrohung, Drogenthematiken, psychische Belastungen und vieles mehr. Man wird wahnsinnig. Es ist alles megaernst, aber man darf seinen Humor, wenn das möglich ist, auch nicht verlieren. Und da kommt Pronther wieder ins Spiel. Wir versuchen zum Nachdenken anzuregen. Provokant, aber nicht hasserfüllt.

Lasst uns frei sein! Befreie Dich von Deinem psychischen Ballast. Befreie Dich von deiner mentalen Zwangsjacke. Mach Dich frei für das, was Du bist. Wir wollen keinen Krieg, keine Gewalt und keine Einschränkungen durch Religionen oder Regierungen. Wir wollen das tun, wofür wir geschaffen wurden. Frei zu leben, frei zu denken, frei zu glauben und frei zu handeln. Der Song ist ein Ruf nach Freiheit! Für jeden auf dieser Welt.

Ich denke, wir sind uns einig, dass die Freiheit ein wertvolles (vielleicht das wichtigste) Gut ist.
Im Grundgesetz steht jedoch auch klar: „Jeder hat das Recht auf die freie Entfaltung seiner Persönlichkeit, soweit er nicht die Rechte anderer verletzt…“

Nun leben wir in einer Gesellschaft zusammen mit anderen Menschen – in einer Gemeinschaft. Da gilt es ja auch, Rücksicht auf andere zu nehmen. Geht es denn also überhaupt völlig ohne Grenzen (oder gemeinschaftlichen Regeln/Gesetzen)?

Wir möchten mit dem Album ja nicht die Welt und die Menschheit revolutionieren und zu gemeinschaftlichem Protest gegen alle Werte aufrufen. Freiheit beinhaltet meiner Ansicht nach Rücksichtnahme und Regeln nach „gesundem Menschenverstand“. Hiermit ist gemeint, dass es egal sein sollte, welchem Glauben, Hautfarbe, welcher Sexualität etc. man angehört und welche Meinungen man vertritt. Es ist wichtig, dass man sich gegenseitig respektiert und akzeptiert. In dem Moment, wo dir durch missverstandene „Freiheit“ ein Unheil widerfährt, bist du ja nicht frei. In dem Moment wird Dir Deine Freiheit genommen.
Aber ich möchte daraus jetzt kein Politikum machen, da es hier sicherlich abendfüllende Diskussionen geben kann, bei denen 10 Personen mindestens 52 verschiedene Meinungen haben können.

Bisher hatte ich den Eindruck, dass Pronther relativ unpolitisch unterwegs waren.
Doch gerade bei so verschieden zu deutenden Texten: Wie viel Angst habt ihr denn, als Künstler missverstanden zu werden? Und dadurch Fans zu gewinnen, die man vielleicht gar nicht haben möchte?

Die Gefahr, als Künstler missverstanden zu werden ist generell groß. Egal ob jemand in ein Mikrofon furzt, oder hochkomplexe Instrumentalorgien komponiert. Ebenso wie Dichter usw.
Uns kann man nicht unbedingt in ein Genre oder eine Ecke stecken, so dass wir Menschen aus den unterschiedlichsten sozialen Schichten und geografischen Lagen ansprechen. Oder diese mit uns überhaupt nichts anfangen können. Wenn wir jemanden mit unserer Musik dazu bewegen können, frei zu denken und er/sie sich keine Grenzen mehr setzen möchte, dann haben wir der Welt einen Gefallen getan. Wir sind eine multikulturelle Band mit Fans / Hörern in allen Teilen der Welt. Unabhängig von Religion, Überzeugung, Hautfarbe, Nationalität oder Gesundheitszustand.

Wäre es dann nicht genau deshalb schlimm, wenn sich dann Leute eure Musik und Texte aneignen, die sich sonst auf die Fahne geschrieben haben, andere Menschen daran zu hindern, in Freiheit zu leben?
(Ich meine damit z.B. den rechten Rand der Gesellschaft, der sich die Finger leckt, „Lasst uns frei sein!“ oder „Der letzte Stich“ für seine Zwecke umzudeuten.)
Oder anders gefragt: Was würdet ihr dazu sagen, wenn „Der letzte Stich“ auf einer Querdenker-, AfD- oder Pro-Putin-Demo in Aschaffenburg lautstark aus den Boxen schallt?

Ich verstehe nicht, in welche Ecke Du Dir uns vorststellen möchtest und welche Worst-Cases sich in Deinen Gedanken widerspiegeln. Ich habe schon Gerüchte gehört, dass selbst der Song „Freiheit“ von Westernhagen auf Demos benutzt wurde. Ob der das wollte, vermag ich nicht zu beurteilen. Wer sich mit uns befasst, weiß, dass wir als Band eine mulikulturelle (deutsch-türkische) Institution sind, die sich u.a. auch aktiv für behinderte und kranke Menschen, Waisenkinder, Tiere und vieles mehr einsetzt. Einen Bezug zu irgendwelchen politischen Parteien lassen wir uns nicht unterstellen und in Richtung Rechts haben wir keinen Blinker ausgerichtet. In der jetzigen Situation kann man, wenn man das möchte, gewisse Dinge falsch interpretieren. Daher kann ich Deine Frage final damit beantworten, dass ein Abspielen unserer Songs auf o.g. Veranstaltungen, ohne Jemandem zu Nahe treten zu wollen, sicherlich gemischte Emotionen hervorrufen würde. Es wird immer eine Gruppe von Menschen geben, die den Wert und Begriff von Freiheit missverstehen. Daher werden der Wunsch und das Thema immer aktuell bleiben. Früher, heute und auch in der Zukunft. Pronther ist defintiv keine „rechtsradikale, kriegsunterstützende, gewaltverherrlichende Band“. Wir wollen unser Publikum zum Denken anregen, für sich selbst Entscheidungen treffen zu können und zu wollen. Uns geht es hauptsächlich darum, die Menschen mit unserer Musik zu begeistern. Ich denke damit konnte ich Deine Bedenken etwas beruhigen.
Und ganz nebenbei: Ich persönlich unterscheide Menschen zwischen „in Ordnung“ und „nicht in Ordung“. Diese Freiheit nehme ich mir :-).

Danke für diese Klarstellung!

Lasst uns noch ein bisschen weiter über die Musik sprechen:
Produziert wurde euer Album von Christoph Hessler. Nicht unbedingt eine offensichtliche Wahl. Wie kam es zu dieser Entscheidung?

Christoph Hessler wurde uns von Larry Fricke empfohlen und ans Herz gelegt, da er genau der richtige Mann für die neuen Songs wäre. Wir kannten Christoph schon von den älteren Produktionen, als er mit Larry zusammenarbeitete. Seine Arbeiten mit Eisbrecher, Megaherz, Haudegen und einigen genrefremden Künstlern überzeugten uns. Er brachte sich in die Songs mit ein und animierte gerade mich als Shouter zu Leistungen, die ich in der Form von mir kaum kannte. Sein liebster Satz war meist: „Das war sehr gut. Den nehmen wir. Aaaaber … ich glaub, das geht noch besser. Machen wir noch einen!“. Trotz aller Aggressivität kann man die Texte diesmal klar verstehen. Wir ziehen den Hut vor seiner Arbeit und sind sehr zufrieden.

Mir gefällt der präsent gemischte Basssound, der die feinen Basslinien von Matze gut hörbar macht. War das ein klares Ziel im Mix?

Das klare Ziel des Mixes war, dass es am Ende ordentlich rummsen und grooven muss. Die Eier der Musik sind ganz klar: Der Bass. Wenn der nicht präsent ist, dann kommt nichts raus. Dann bumst es sozusagen nicht. Des Weiteren sind viele Parts der Songs ja auf den Bass-Spuren aufgebaut. Es wäre fatal, wenn man diese dann nicht spüren würde. Gerade wenn es in die Funky-Parts geht. Auch ist seit dem Album „Fang die Seife!“ das Bass-Spiel und die entsprechenden Linien ein Markenzeichen der Band, die uns wieder von den gängigen Kollegen unterscheidet. Unter dem Strich gesagt war es ein klares Ziel, die Bass-Spuren gut hörbar zu machen.

Man hört Pronther immer die Ursprünge der NDH an. Gibt es denn auch aktuelle Bands, die euch inspirieren?

Wenn es bei den Ursprüngen bleibt, ist es ja ok. Bei dem, was aktuell sich NDH schimpft, können wir uns nicht mehr direkt dazu zählen und sind zu einem Begriff zurückgekehrt, den wir u.a. auch schon seit Jahren benutzen: German Groove Metal!
Wir sehen uns viel mehr im Metal als in der dunklen Electro-Szene, was aber definitiv mit den Musikern der Band zusammenhängt. Viele Electro-Parts haben wir durch Gitarre und Bass ersetzt. Und es funktioniert. Wir nutzen diese Elemente nur noch zum Füllen und für die Atmosphäre. Aktuell haben wir uns nicht inspirieren lassen, aber begeistern können wir uns natürlich auch für aktuelle Bands. Meine persönlichen Favoriten sind und bleiben Sepultura, alte Metallica und Mötley Crüe. In die Kompositionen fließen von diesen Bands bei mir ab und an mal ein Hauch von Harmonien und Stimmungen, die Sepultura nutzen mit ein. Da muss man dann aber schon speziell darauf hinweisen, dass man es merkt.

Ich finde, dass „Lasst uns frei sein!“ weniger impulsiv und abgedreht ist als eure vorherigen Scheiben. Ich höre mehr Schwere, Opulenz und Melancholie. Es klingt „erwachsener“ – wenn man das so sagen kann… Könnt ihr euer neues Album schon einordnen?

Die Gegenfrage hierzu ist, was man unter impulsiv und abgedreht versteht? Wir finden als Komponisten das Album schon ziemlich abgedreht, da hier 10 Hymnen vertreten sind, die alle in eine andere Richtung schlagen. Von kommerziell bis zu lebensgefährlich, wenn man sich was Falsches vorher reingezogen hat. Auch die Auswahl der benutzten Instrumente und Sounds ist extrem abgedreht. Freude dem, der sich die Auswahl zu Gemüte führen möchte.
Wenn Ihr das jetzt auf die Texte auslegen wollt, dann ist das Album im Moment passend, provozierend und befreiend. Die Gedanken sind definitiv erwachsener und nicht aus einer Bierlaune entstanden. Es ist ein Album ohne Ausfälle oder Songs die im Nachhinein als peinlich gelten könnten. So Sachen soll es ja schon gegeben haben. Ich denke, dass wir mit diesem Album ein klares Statement setzen und unsren Platz in der Szene festigen können.

Zum Schluss noch eine freche Frage: Pronther wurden 1996 (ein Jahr nach Rammsteins „Herzeleid“) gegründet und konnten Anfangs schnell an Popularität gewinnen.
Woran lag es also, dass Rammstein so groß geworden sind und Pronther nicht?

Wer ist Rammstein? Hab ich was verpasst? Diese Frage habe ich bereits tausendfach analysiert und bin zu folgenden Schlüssen mit der Zeit gekommen:

1. Wir kamen aus einem kleinen Ort in der Nähe von Aschaffenburg und nicht aus Hamburg, Berlin oder London.
2. Wir hatten nicht die Kohle um uns Promotion & Management kaufen zu können
3. Wir hatten nicht die Kohle um ein megafettes Album zu produzieren
4. Wir hatten nicht die Kohle um nur Musik zu machen. Was wir aber vielleicht besser hätten machen sollen.
5. Wir waren damals evtl. ein wenig zu extrem drauf und daher leicht missverstanden.
6. Die Welt war damals bestimmt noch nicht bereit für uns.

Ich könnte bestimmt noch 257 weitere Punkte aufführen, aber das würde ausufern, Familien zerstören und die lokale Musikszene in Grübeln bringen. Wir blicken voraus und freuen uns auf das was kommt. Auf einen gemeinsamen Weg in die persönliche Freiheit.

Vielen Dank für die Antworten!

(mk)

www.Pronther.com

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