Nailed To Obscurity
Verfasst am 07. März 2017 von Michael Klein (Kategorie: Interviews) — 2.364 viewsEs müsste schon mit dem Teufel zugehen, wenn Nailed To Obscurity mit ihrem neuen Album „King Delusion“ keinen großen Sprung nach vorne machen.
Seit Jahren liefern die Norddeutschen konstant hohe Qualität – doch so gut wie jetzt war die Band noch nie. Dass die Jungs oft mit (älteren) Katatonia oder Opeth vergleichen werden, stört diese wenig, wie sie uns im Interview verraten:
Metal Aschaffenburg: Ich spare mir hier mal die Opeth/Katatonia-Fragen, die müssten euch ja mittlerweile aus dem Hals hängen, oder?
Ole: Ach, das stört uns eigentlich gar nicht. Meistens wurde gefragt, ob diese Bands zu unseren Einflüssen gehören, was sie definitiv auch tun. Oft werden wir auch mit früheren Alben dieser Bands verglichen und auch das stört uns nicht, weil eigentlich immer im selben Atemzug auch gesagt wird, dass wir sehr eigenständig klingen. Somit fassen wir das eigentlich immer als ziemlich großes Lob auf.
„King Delusion“ hat insgesamt extrem gute Bewertungen gesammelt. Welche Entwicklung steht zwischen diesem Werk und dem Vorgänger „Opaque“?
Ole: Die Resonanz auf das Album ist wirklich sehr gut und das freut uns natürlich sehr. Wir merken auch schon jetzt, dass wir dadurch erneut einen großen Schritt nach vorne gemacht haben. Wir spielen zwei wirklich coole Touren mit Dark Tranquillity und mit Thulcandra und generell merkt man einfach, dass das Interesse an uns gestiegen ist. Als wir „Opaque” veröffentlicht haben, war das im Verhältnis zum Vorgänger allerdings auch schon so. Musikalisch gesehen haben wir aus dem sehr chaotischen und schwierigen Entstehungsprozess von „Opaque” einfach sehr viel gelernt und so fiel uns vieles bei “King Delusion” sehr viel leichter und ich glaube das hört man auch. Vor allem sind wir sehr viel selbstbewusster an das Songwriting herangegangen.
Raimund: Ergänzend würde ich noch sagen, dass “King Delusion” für mich meinen eigentlichen Albumeinstand bei Nailed To Obscurity darstellt. Wie Ole schon sagte, war der Prozess hinter „Opaque” deutlich chaotischer/ anders. Instrumental war das Album quasi schon „in Stein gemeißelt” als ich zur Band gestoßen bin, wogegen ich bei „King Delusion” jeden Schritt mitbekommen habe und alle Prozesse noch stärker miteinander einher gingen, was wohl auch dazu geführt hat, dass die Musik und die Texte noch deutlich stärker verzahnt sind, als das zuvor der Fall war. Wir standen halt in der jetzigen Besetzung in regem Dialog miteinander.
Wer personifiziert für euch King Delusion?
Raimund: „King Delusion” ist für mich eine Art übergeordnete Gestalt. Wenn man sich einer starken Emotion voll und ganz hingibt, sodass man aus ihr heraus handelt, hat man häufig das Gefühl, dass man gerade dann über sich hinauswachsen kann. Wenn diese Emotionen aber Rage, Wut, Verzweiflung und dergleichen sind, kommt man häufig an den Punkt, an dem man Dinge macht oder sagt, die einem im Nachgang regelrecht befremdlich erscheinen. Es geht soweit, dass man denkt, dass es vielleicht jemand anderes war, der das Handeln für einen Moment übernommen hat, oder man unter dem Einfluss einer starken Persönlichkeit steht, der man bedingungslos folgt. Im Prinzip wie das Gefolge eines Königs aus längst vergangenen Tagen, dessen Befehl alles überwiegt. Somit kann ich nicht sagen, dass „King Delusion” eine Person ist, sondern vielmehr ein Gefühl, dem man sich unterbewusst hingibt, und dem man sich in manchen Situationen nicht entziehen kann. Es schwingt also nichts politisches mit. Da würde man aktuell sicher auch Beispiele finden, auf die ein solcher Rufname zutreffen könnte :)
Auf den ersten Blick sieht „King Delusion“ sehr pessimistisch und depressiv aus. Atemlosigkeit („Apnoea“), ein Andenken („Memento“), Abstumpfung („Deadening“). Wie viel Positives, wie viel Licht steckt im Album?
Raimund: Ich finde, dass man in der heutigen Zeit viel zu schnell bei dem Begriff der Depression ist. Ich würde die Musik und die Texte vielmehr als melancholisch bezeichnen und vor allem als nachdenklich. Es geht in den Texten nicht unbedingt immer darum, dass man sich negativen Dingen hingibt, sondern vielmehr, dass man sich mit ihnen auseinandersetzt. So kann man „Deadening” auch als eine Art Warnung verstehen. Der Text behandelt die Tücken der Abhängigkeit. Man kann ihn aber eben auch so verstehen, dass der Appell zwischen den Zeilen einen dazu bringen soll, sich nicht von Dingen und Personen abhängig zu machen, sondern einen besonderen Moment einen besonderen Moment sein zu lassen. Diesen besonderen Kick wird man ohnehin nur das eine Mal erhalten und so wäre es vielleicht Zielführender, wenn man sich selbst weiterentwickelt und das besondere Hochgefühl in einer anderen Sache, die man bei diesem Prozess findet, noch mal erleben kann. Man darf eben nicht stumpf werden, sondern sollte neugierig bleiben. Das ist nur einfach mal ein Beispiel.
Es geht nicht darum, dass die Texte den Hörer in ein tiefes Loch reißen, sondern dass man sich mit diesem Loch auseinandersetzt und dann mit einem frischen Kopf in eine andere Richtung denken kann. Mir hilft hier eben auch gerade Musik wie unsere, um gewisse Lebenslagen zu meistern. Das ist vielleicht ohnehin die universelle Anziehungskraft von fordernder Musik wie Metal. Man kann gewisse negative Emotionen genau dort lassen, und geht danach deutlich befreiter durch den Alltag. Alle Mitglieder der Band können sich sehr gut auf Melancholie in der Musik oder im Alltag einlassen, aber am Ende des Tages machen wir auch unsere albernen Witze und sind keine todtraurigen Typen.
Wenn ich nicht falsch gelesen habe, geht ihr zusammen mit Dark Tranquillity auf Tour. Dann sehen wir uns in Aschaffenburg! Welche Chancen verbindet ihr mit dieser Tour?
Ole: Da hast du tatsächlich richtig gelesen und wir freuen uns natürlich riesig darüber, diese Tour spielen zu können. Die Band hat uns wirklich stark geprägt. Es fühlt sich fast etwas surreal an, jetzt mit dieser Band 3 Wochen unterwegs sein zu dürfen und das größtenteils sogar als Main Support! Ein Highlight wird sicherlich die letzte Show in Göteborg: Mit den Mitbegründern des “Göteborgsounds” eben dort zu spielen, wird ganz bestimmt ein ganz besonderes Erlebnis.
Leider hat sich mittlerweile ergeben, dass wir aus organisatorischen Gründen in Aschaffenburg wohl nur als Zuschauer vor Ort sein werden. Das tut uns sehr leid für die Leute, die uns dort gern gesehen hätten, aber das werden wir sicherlich bald mal nachholen können.
Vielen Dank für das kleine Interview!
(mk)
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