The Gentle Storm
Verfasst am 21. April 2015 von Michael Klein (Kategorie: Interviews) — 2.111 viewsWenn Ayreon-Projekte Wirklichkeit werden, dann schlagen bei Prog-Fans reihenweise die Herzen schneller. Denn man hat nicht oft die Gelegenheit, Songs des Niederländers live zu bestaunen. Da aber bei The Gentle Storm mit Anneke van Giersbergen auch eine Musikerin involviert ist, die für ihr Leben gern auf der Bühne steht, war die Freude groß, als bekannt wurde, dass eben dieses Projekt auch live stattfinden wird.
Wir trafen uns mit der charismatischen Sängerin vor dem Auftritt in Aschaffenburg.
Metal-Aschaffenburg: Hallo, Anneke! Das letzte Mal haben wir uns hier getroffen, als du mit deiner Solo-Band unterwegs warst. Ist es nicht komisch für dich, jetzt mit einer (beinahe) ganz anderen Band unterwegs zu sein?
Anneke van Giersbergen: Nein, nicht wirklich. Es war ja eine bewusste Entscheidung, The Gentle Storm und meine Solo-Band voneinander zu trennen. Meine Band ist absolut perfekt für die rockigen Vibes meiner eigenen Musik – für The Gentle Storm brauchte ich aber Musiker, die einerseits „Metal“ spielen können – auf der anderen Seite aber auch ganz melodische Sachen. Und die Musiker, die jetzt in der Band sind, gehören wahrscheinlich zu Hollands besten Metal-Musikern, können aber eben auch melodische Sachen mit viel Gefühl spielen. Einfach Perfekt!
Wie seid ihr denn auf die Live-Musiker gekommen?
Vor allem durch die Verbindung zu Arjen. Die meisten der Musiker haben zuvor schon mit Arjen gearbeitet.
Ich fragte ihn damals, ob ich das Album auf Tour bringen kann. Er war begeistert, denn seine Musik ist ja nicht oft live zu hören. Dann haben wir gemeinsam über passende Musiker nachgedacht. Zum Beispiel Johan.
Joost hat dann von Johan gehört (sie sind ziemlich gute Freunde), dass er den Bass spielen wird und hatte dann selbst Interesse mitzuwirken.
Joost wurde dann mein wichtigster Mann an Bord. Er hat sich um alle Arrangements und andere wichtige Dinge gekümmert. Er ist ein super Typ.
Dann habe ich noch Ferry – meinen Gitarristen – mit an Bord genommen. Und Merel! Merel ist so „badass“!
„The Diary“ handelt von zwei Personen. Eine Person reist um die Welt, während die andere zu Hause verweilt. Wie viel Anneke und Rob stecken denn in diesem Konzept?
(überlegt kurz und schmunzelt dann) Hmmm. Ja, vielleicht hilft mir meine Situation ja wirklich, mich in die Geschichte der beiden Hauptpersonen von „The Diary“ einzudenken. (lacht)
Aber in „The Diary“ geht es natürlich nicht um mich. Die Basis sind ja (Liebes)Briefe, die von den damaligen Segelschiffen in die Heimat und zurück geschickt wurden. Meine Inspirationen habe ich vor allem aus entsprechenden Büchern und natürlich Original-Briefen gewonnen. Viele dieser Briefe sind in England und Holland noch archiviert. Die echten Briefe sind ganz anders, als man dies aus Filmen oder so kennt. Es waren letztendlich ganz normale Menschen mit ganz normalen Problemen.
Arjens Bruder kannte zudem einen Historiker, dessen Spezialgebiet genau diese Briefe waren!
Diese Briefe waren oft ein halbes Jahr und länger unterwegs bis sie endlich ankamen. Wenn überhaupt. In dieser langen Zeit kann dann schon wieder so viel passieren. Man weiß ja nicht mal, ob die Person, die einem schreibt, noch am Leben ist.
Außerdem gab es viele Kriege zu dieser Zeit und es hätten geheime Informationen ausgetauscht werden können. Also wurden viele Briefe vernichtet oder gingen sogar auf zerstörten Schiffen unter.
Heute kaum noch vorstellbar!
Und heute schicken wir einfach eine WhatsApp und in einer Sekunde ist die Nachricht in Japan!
Wann hast du denn jemandem zuletzt einen echten Brief geschrieben?
(überlegt) Ich schicke manchmal meinen Freunden kleine Sachen. Holländische Kleinigkeiten. Da schreibe ich manchmal auch einen kleinen Brief dazu. Also ich schreibe immer noch. Leider nicht so oft. Früher habe ich öfter solche Briefe geschrieben. Zum Beispiel an meinen Bruder.
Er wohnt in Portugal, oder?
Ja. Er zieht aber gerade nach Deutschland um! In die nähe von Hamburg.
Das ist ja dann gar nicht mehr so weit von dir entfernt!
Ja, das ist wirklich toll!
Vor einigen Wochen hast du bereits mit Arjen ein paar Akustik-Shows gespielt. Wie hast du denn Arjen dazu bekommen, live aufzutreten?
Als ich entschieden hatte, dass ich die Gentle-Storm-Sachen live spielen will, habe ich ihn gefragt: „Komm doch einfach mit! Wir machen eine kleine Akustik-Tour – ganz gemütlich.“
Er sagte dann: „Willst du mich veralbern? Auf gar keinen Fall! Bist du verrückt?“ (lacht)
Kurz darauf rief er mich an und meinte: „Hmmm. Vielleicht sollte ich doch mitmachen…“ (lacht). Also ging es los! Und es ist wirklich gut gelaufen. Alle wollten ihn live sehen, weil sie wussten, dass dies vielleicht nie wieder der Fall sein wird.
Für die Fans eine großartige Sache!
Es hat ihm ja auch extrem viel Spaß gemacht. Zu spielen und so viele Freunde zu treffen.
Aber es war trotzdem schwer für ihn, oder?
Ja, er hat ja große Bühnenangst. Aber das größte Tour-Problem ist einfach seine Größe. Dadurch hat er extreme Rückenschmerzen. Er kann nicht länger als 15 Minuten sitzen. Er kann also nur stehen oder liegen. Jetzt stell dir vor: Wir sind auf Tour jeden Tag geflogen! Das würde ihn normalerweise umbringen. Wir haben für ihn immer drei Sitze nebeneinander gebucht, damit er sich im Flugzeug hinlegen kann.
Er hat auch gesagt, dass ihn deine positive Energie durch die Tour gebracht hat.
Das ist so lieb von ihm! (sie strahlt)
Ich glaube aber, dass er es trotzdem nicht mehr macht. (lacht)
Er hat ja auch Schlafstörungen – so viele Sachen… Er ist einfach lieber zu Hause bei sich. Dort fühlt er sich bedeutend wohler.
Du wirst auch beim Theater-Equation-Projekt in Rotterdam auf der Bühne stehen und dort die Rolle „Fear“ übernehmen, die im Original von Opeths Mikael Åkerfeld gesungen wird. Weißt du schon, wie du diese Rolle singen wirst?
(sofort) „Absolutely not!“ (lacht)
Als Arjen mich gefragt hat, ob ich das mache, habe ich einfach ja gesagt. Danach dacht dachte mir dann: Wie zur Hölle soll ich das denn machen? (lacht)
Mikael klingt ja schon sehr anders…
Und er grunzt auch. Wirst du auch seine Grunts und Screams selbst übernehmen?
Hmm. Vielleicht versuche ich es. Aber ich weiß nicht, ob ich es schaffe.
Ich denke, ich werde die Rolle ein bisschen zu meiner eigenen machen müssen, ohne sie dabei herauszureißen. Aber ich sorge dafür, dass es klappt!
Ich denke, genau deswegen bist du die perfekte Wahl! Jemanden zu suchen, der „so wie“ Mikael singt, kann nur nach hinten losgehen. Jemanden einzusetzen, der dem aber eine hochwertige, eigene Note verleiht, halte ich für sehr geschickt!
(freut sich) Oh, Dankeschön!
Ich nehme die Herausforderung auf jeden Fall an!
Vielen Dank für das Interview Anneke! Wir sehen uns dann in Rotterdam!
(mk)
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