Hundredth | Vorbands: Being As An Ocean, Counterparts, Polar
Verfasst am 19. Februar 2014 von Gringer (Kategorie: Konzert-Rezensionen) — 3.296 views18.02.2014 – Colos-Saal, Aschaffenburg
Pünktlich, wie vom Colos-Saal nicht anders erwartet, eröffnen Polar das heutige Stelldichein der Hardcorebands. Die bunte Masse ist gleich am Start und zeichnet sich direkt durch ein paar Die-Hard-Fans aus, die das Mikro übernehmen. Diese szenetypische Prozedur werden wir noch den ganzen Abend über erleben. Deshalb schon hier erwähnt um zu zeigen, dass tatsächlich ab Minute null jede Band abgefeiert wurde.
Polar ließen es aber erstmal sachte und melodiös angehen. Sie selbst rotieren gut auf der Bühne, insbesondere der Gitarrist vor meiner Nase führt einen vehementen Seilspringtanz auf. Cooler Typ. Das Publikum war hier aber noch nicht bereit, sich ohne Aufforderung mal zu bewegen. Mit allerdings schaffte es schon den ein oder anderen kleinen Circlepit. Außerhalb dieser Parts wäre genug Möglichkeit gewesen auch mal geflissentlich den Kopf zu bangen, denn hier war genug Material dafür da und die Gitarre wurde tatsächlich als Melodieinstrument genutzt. Sehr schön. Weitermachen. Zum Abschluss gab es eine versuchte Wall Of Death und nach 30 Minuten war der Zauber dann auch schon vorbei.
Der Spielzeit bleiben alle Bands treu. Kann man gespalten sehen, ob man nach vier Bands schon um 22:30 Uhr nach Hause gehen möchte. Aufgrund der immensen Lautstärke (der Kopf vibrierte noch in der Mitte des Saales HINTER der Säule) fand ich es z.T. angebracht, ansonsten find ich diese Appetizer eher nicht so prickelnd. Da ich aber bis dato keine der Bands kannte, war ich demnach auch nicht traurig drum.
Counterparts spielten dann gleich mal ein ganz anderes Blatt. Die gute Laune von Polar war sofort verpufft – hier wurde erstmal alles zerholzt, was ging. Sowohl auf der Bühne als auch davor war es einige Stufen aggressiver. Sämtliche Bewegungen passten sich der Musik an. Der Sänger hatte sehr viel Message an den Mann zu bringen und versuchte, das alles jedem einzutrichtern. Ich würde das alles als eine Art dunkelatmosphärisch umschreiben. Breakdowns gelten hier eher als Verschnaufpause. Das Publikum folgt auch meinem Rat und geht jetzt auch außerhalb der Pits ab. Was zugegebenermaßen sehr schwer ist, weil Counterparts doch sehr sperrig, aber dadurch auch äußerst interessant klingen. Die zeitweiligen „Doombridges“ haben mich am meisten begeistert. Wer den Stoff der Band kannte, war hier weit im Vorteil. Davon waren einige da und schreiten sich die Seele aus dem Leib. Es wird gefühlt immer lauter und die ersten Menschen rauschen blindlings durch die Reihen.
Da Counterparts ihre 30 Minuten ebenfalls exakt genutzt haben, beginnt Being As An Ocean als dritte Band schon um 21:30 Uhr. Sänger Joel Quartuccio übersetzt den Bandnamen gleich mal Rebus und schwimmt beim ersten Song gleich im Publikum. Auf der Bühne angekommen erkennt man ihn gleich als Stimmungsmacher vom Counterparts-Publikum wieder. Hab‘ ich doch an der Rumhüpftechnik gesehen, dass das kein Unterfranke ist! Soviel Schmackes haben wa net. Quartuccio hat zwar auch viel zu erzählen, allerdings versucht er, ins Herz zu treffen. Packt er bei den meisten auch definitiv. Die Jünger fressen ihm förmlich aus der Hand. Eine wahre Pracht, das zu sehen. Hier wurde nämlich tatsächlich noch gesungen. Nicht viel, aber schön. Wir haben jetzt wieder einen Gang runtergeschaltet, was sich aufgrund der vielen Mitsingrefrains schon ergibt. Als roter Faden laufen fast alle Songs atmosphärisch gewollt aus, was aber aufgrund der simplen Melodie nicht klappt und auf Dauer nur nervt und den Schwung rausnimmt. Das sieht bestimmt jeder eingefleischte BAAO-Fan anders, denn die lassen sich davon in Trance wippen und sobald auch nur der erste Ton des nächsten Songs ertönt, zeichnet sich ein wissendes Lächeln in sehr vielen Gesichtern ab. Undiskutierbare Abmahnung gibt es aber auf jeden Fall für die gesamte Saitenfraktion, die einfach wie angewurzelt stehen bleibt. Bis auf einen Song, mit dem sie sich aber nur verraten, dass sie sich also doch bewegen können. Da muss mehr gehen. Aber Spring-ins-Feld-Sänger Joel kompensiert das für die drei Herren schon allein durch weitere Ausflüge ins Publikum allemal. Den Schlagzeuger muss man unbedingt noch lobend erwähnen, weil der hinter seinen Trommeln sehr geil abging.
Alle vier Bands haben ein wahnsinns Sortiment an Merch mitgebracht und die Jutebbeutel quillten zum Teil über. Zu Recht, weil das Merch außerordentlich hübsch war. Weit entfernt von buntem Gekritzel. Da fühlte man sich an dem sehr szeneorientierten Abend mit seinem HSB-Shirt fast altbacken und mainstreamig. Die meisten trugen BAAO und Hundredth – da muss ja also noch einiges auf uns zukommen.
Kam auch – und zwar einfach klassisch auf die Fresse. Wie man’s erwartet und vielleicht noch ein bisschen härter. Hundredth gaben ihrem Name alle Ehre und gaben als 100 Prozent. Der Saal füllte sich im laufe des abends immer mehr und erreichte jetzt sicher den Höhepunkt, allerdings schien das Publikum schon das erste Mal erschöpft. Oder es kam mit dem Break vom eingängigeren Ocean zum typischen HC-Zerstörung nicht klar. Typisch war aber an diesem Abend keine Band. Jede hatte ihre Schokoladenseite fernab von stereotypischen Sounds. So kann es weitergehen. Bei Hundredth hieß es auf die Fresse und keine Zeit Gefangene zu nehmen. Und auf der Bühne selbst war natürlich auch wieder Krieg angesagt. Vor allem Gitarrist Andrew Minervini überzeugt durch Akrobatik im eigenen Stil.
An diesem Abend waren 98 % der Szenegänger vertreten und diese hatten ihren Spaß. Hier wurde Lifestyle gelebt. Die Leute waren glücklich und haben dem Colos beim Rausgehen nur so die Poster aus der Hand gerissen – und der Clou daran – diese sahen sowas von langweilig aus und dennoch wollten die Leute dieses Andenken.
Wenn behauptet wird, die Kids von heute lernen nix, dann stimmt das auf keinen Fall. Die Leute haben zig Texte mitgeschrien.
Ja, man könnte auch noch andere Dinge lernen, aber das ist doch schon mal ein Anfang und die Menschen heute hatten Spaß und Szene hin oder her – ja, es ist geil, wenn die Leute die Mics klauen und die Texte brüllen und die Mitsingchöre nur so zu hören sind. Es ist eine Augenweide, es macht Spaß, keiner stirbt, alles super. (lkb)
Tags: Being As An Ocean, Counterparts, Hundredth, Polar
Hinterlasse eine Antwort