Anneke Van Giersbergen

Verfasst am 20. Oktober 2013 von Michael Klein (Kategorie: Interviews) — 3.071 views

Gute Stimmung

Ich kann mich bei der Einleitung zu diesem Interview eigentlich nur wiederholen, denn an der Bedeutung, die die Stimme von Anneke van Giersbergen in meinem Leben einnimmt, hat sich seither nichts geändert. Immer noch begleitet mich die Musik der Niederländerin durch alle Etappen, Situationen und Stimmungen des Alltags und hat dabei nichts von ihrer tief berührenden Art verloren. Und das seit inzwischen mehr als 18 Jahren.

So war es erneut eine große Ehre für mich, die bezaubernde Sängerin vor ihrem Konzert im Aschaffenburger Colos-Saal zu interviewen.

Metal-Aschaffenburg: Hallo Anneke! Schön, dass es erneut mit dem Interview geklappt hat! Ich freue mich sehr, dass du wieder hier zu Gast bist!

Anneke van Giersbergen: Hallo! Danke, ich freue mich auch sehr!

Dein neues Album „Drive“ gefällt mir sehr gut. Es ist auffällig fröhlich und beschwingt. „Everything Is Changing“ fiel im Vergleich deutlich nachdenklicher und düsterer aus. Ist die positive Energie von „Drive“ das Resultat daraus, dass du mit deiner Solo-Karriere unter komplett eigenem Namen glücklich bist?

Ja. Ich denke schon. Als ich den „Neuanfang“ mit „Everything Is Changing“ gewagt habe, hat sich alles prima entwickelt. Ich habe die beste Live-Band der Welt, und es ging alles gut voran. Davon beflügelt und in dieser guten Laune begann ich dann neue Songs zu schreiben.
Ich bin aber auch von Natur aus sehr positiv eingestellt. Natürlich möchte ich manchmal auch etwas Düsteres oder Melancholisches zu komponieren und liege nachts wach und denke darüber nach, in welcher schlechten Welt wir leben – aber meistens steht das Fröhliche im Vordergrund. Im Grunde ist ein Album immer wie ein Stück, das man aus meinem Leben herausnimmt.
Drive“ ist ein sehr positives, euphorisches Stück. Man sollte seine dunklen Seiten – die jeder von uns hat – zwar nicht verstecken, aber um die Welt besser zu machen, muss man mit einer positiven Einstellung voran gehen. Ich finde das wichtig.

AVGIch liebe „We Live On“. einer Ansicht nach ist es einer der besten Songs – wenn nicht sogar der beste Song – von dir. Kann es sein, dass er ein bisschen Devin-Townsend-Flair hat?

(lacht) Wirklich? Ja, das kann schon sein… Es freut mich, dass er dir und so vielen anderen gefällt!

Ein anderer herausragender Song ist „Mental Jungle“. Wie ist dieser Song denn entstanden?

Ich wollte schon immer mal etwas mit Hayko Cepkin machen. Er ist ein wundervoller Sänger. Als ich begann, diesen Song mit meinem Gitarristen Punto zu schreiben, kam irgendwie dieser orientalische Touch auf, was natürlich hervorragend passte. Hayko hat dann einen großartigen Job abgeliefert. Der Song ist einer meiner Favoriten. Durch diese orientalische Note und die Heaviness und Energie.
Es ist zwar kein fröhlicher Song aber er trägt so viel Energie in sich.
Live werden wir Haykos Stimme vom Band kommen lassen.

Wow! Ihr spielt den Song? Das hätte ich nicht gedacht.

Ja, ich bin mir auch noch nicht sicher, ob das so okay ist mit der Bandeinspielung. Aber anders könnten wir den Song nicht spielen. Naja – ich könnte Haykos Teil übernehmen – und es ist bestimmt lustig, türkisch zu singen – aber er singt ja sehr tief und wenn ich das mache, klingt es bestimmt nicht so cool…

Du könntest ja Rob singen lassen…

(lacht) Haha. Nein! (grinst) Meine beiden Gitarristen singen ja auch – aber das hier klappt nicht – also müssen wir es per Band machen, denn jeder liebt den Song. Wir können ihn nicht weglassen. Ich tanze dann derweil ein bisschen. (lacht)

(Es hat dann abends beim Konzert hervorragend geklappt! – (mk))

Zusammen mit der CD hast du ein wundevolles Fotobuch veröffentlicht, in dem eine Menge sehr persönliche Einblicke in den Entstehungsprozess von „Drive“ zu sehen sind. Hast du eigentlich manchmal Bedenken, dass du zu viel Privates preisgibst? Dass du die Grenze zwischen Privatem und Öffentlichem einreißt?

Das ist eine ziemlich gute Frage! Ich denke und empfinde es nicht so. Manchmal wenn ich Bilder von Finn, meinem Sohn, zeige, dann vielleicht etwas. Aber weißt du, das ist mein Leben. Das bin ich. Ich schreibe ja auch Songs über Finn, über meinen Mann und über meine Freunde. Also ist es doch auch ein bisschen logisch, dass ich – wenn Leute daran interessiert sind – etwas davon mit ihnen Teile. Sie interessieren sich halt einfach für die Person hinter der Musik. Aber es gibt natürlich Grenzen. Ich kann diese schwer benennen – es ist bei mir eher Gefühlssache. Aber es gibt Leute, die diese Grenze überschreiten. Gestern beispielsweise wollte mich ein Fan für ein Bild auf den Arm nehmen. Für ihn mag das ja ’ne tolle und lustige Idee sein. Ich mag das aber nicht so. Ich finde das doof und irgendwie respektlos.

Anneke van Giersbergen DriveViele Fans „kennen“ dich ja auch seit Jahren und fühlen sich vertraut. Du siehst sie aber das erste Mal in deinem Leben. Für manche ist es schwer, dann eine Grenze zu ziehen.

Ja, genau. In Holland habe ich mal eine ältere Sängerin gesehen, die ich gerne mag und ganz salopp mit einem „Hey“ begrüßt – als ob es eine Freundin von mir wäre. Für mich war das ganz normal weil ich sie eben schon so oft im Fernsehen und Co. gesehen und gehört habe. Sie hatte aber keine Ahnung, wer ich bin. (lacht)

Ich muss aber sagen, dass ich ein tolles Publikum habe mit sehr netten Fans, die so gut wie nie Grenzen überschreiten.

Vielleicht wäre es schlimmer, wenn du nicht bereits verheiratet wärst.

Ja! Vielleicht ist das ein Grund (lacht)

Gibt es überhaupt einen großen Unterschied zwischen der privaten Anneke Van Giersbergen und der Anneke Van Giersbergen auf der Bühne?

Keinen großen. Es ist für mich ganz natürlich, auf der Bühne zu stehen. Ich bin dort vielleicht etwas mehr geschminkt und schillernder angezogen – was ja auch irgendwie schön ist, es ist dort alles ein bisschen verstärkt. Privat bin ich in manchen Situationen etwas schüchterner und ruhiger.

Es sieht ja ohnehin so aus, als ob du immer gut gelaunt bist. Kannst du überhaupt böse sein?

(grinst) Ja. Oh ja. (lacht) Ich kann superlaunisch sein. Zum Beispiel wenn ich müde bin oder Hunger habe, haha.
Oder auch wenn Leute respektlos sind. Wir haben vor kurzem ein Konzert gespielt, bei dem irgendwie alles blöd war. Die Technik, die Unterkunft, das Essen, die Crew. Alles richtig kacke. Jetzt kommt es manchmal vor, dass die lokale Crew nach einem Shirt fragt, weil sie ja für dich gearbeitet hat. Das ist okay. Aber an diesem Tag hat wirklich gar nichts geklappt und die Crew wollte kein Shirt sondern Hoodies. Jetzt musst du wissen, dass wir als Band mit dem Merchandise unser Geld verdienen und Hoodies auch für uns relativ teuer sind. Und diese Crew wollte nicht nur einen, sondern gleich fünf Stück. Das hat mich noch eine Woche lang geärgert.
Das ist zwar ein blödes Beispiel – aber du siehst, ich kann auch böse sein! (und lacht dabei fröhlich)

Hast du schon mal versucht, in so einer fiesen Stimmung einen Song zu schreiben?

Hmmm. (überlegt) Ja! „Treat Me Like A Lady“. Der Song ist zwar lustig und überzeichnet aber die Message passt ziemlich gut in diese Richtung.

Du machst jetzt schon seit langer Zeit Musik. Ich habe mich vorhin gefragt, ob du jemals in einem regulären Job gearbeitet hast…

Ja, habe ich. Sogar verschiedene Jobs. Um meine Miete zu zahlen. (lacht)
Aber seit ich klein bin wollte ich schon immer Kunst und Musik machen. Mit 13 war mir klar, dass ich Sängerin werden will. Das mache ich jetzt auch seit ich mich erinnern kann. Aber von der Musik alleine konnte ich nicht leben – also musste ich anfangs arbeiten. Meistens hatte ich ziemlich blöde Jobs, weil ich in diesen schnell wieder aufhören konnte, wenn sich etwas ergibt. Als ich dann bei The Gathering eingestiegen bin und wir die Möglichkeit hatten zu touren, habe ich alles abgebrochen. Job und Schule. Dann wollte ich nur noch Musik machen. (lächelt)

Ich kann mir auch nicht vorstellen, dich an einer Supermarktkasse sitzen zu sehen.

(lacht) Ja. Ich hatte eine kurze Zeit als Putzfrau in Theatern gearbeitet. Eines Tages kam jemand durch die Türe und rief ganz verdutzt und aufgeregt: „Anneke Van Giersbergen!“ Ich antwortete beschämt: „Hm, ja“. Er war großer Fan und konnte gar nicht glauben, dass ich dort putzte. (lacht) Aber das war einer dieser Jobs, die ich schnell wieder aufgeben konnte.

Glücklicherweise hat es ja mit der Musik geklappt!

Ja, zum Glück!

Vielen Dank Anneke für das Interview!

(mk)

www.AnnekeVanGiersbergen.com

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