Fitzcarraldo
Verfasst am 01. November 2012 von Michael Klein (Kategorie: Band Of The Month) — 3.671 viewsDie Oper im Dschungel
Über Jahre hinweg hat sich die Aschaffenburger Formation Fitzcarraldo vom undergroundigen Insider-Tipp zum weitläufig resonanzenerntenden Kritikerliebling entwickelt.
Auf ihrem Weg vom Debüt „Herbst“ bis hin zum letzten Output – der „Oldenburg“-EP – wurde der Sound der Band bereits als Post-Rock, Shoegaze, Post-Hardcore, Doom, Stoner oder Art Rock bezeichnet – und mit dem brandneuen „FITZ“, das am 19.11.2012 erscheint (Release-Show ist bereits am 17.11. im JuKuZ!), darf sich die Presse gleich eine ganze Reihe neuer Bezeichnungen einfallen lassen. Ich halte es ganz einfach: Fitzcarraldo sind Fitzcarraldo – einzigartig und auf eine faszinierende Weise besonders.
Weil mit „FITZ“ ein neues Kapitel in der Historie der Band aufgeschlagen wird (siehe Review), werfen wir an dieser Stelle einen Blick zurück und beleuchten das bisherige Schaffen.
In Kürze folgt dann noch ein spannendes Interview mit der Band.
Der Keim für den Erfolg wurde im Jahr 2007 gelegt. Das komplett in Eigenregie Aufgenommene und vertriebene Debüt „Herbst“ markiert den ersten Wegpunkt der Karriere von Fitzcarraldo.
Atmosphärisch dicht spannen die damals als Quartett arbeitenden Jungs ein Geflecht aus großen, instrumentalen Strecken mit gefühlvoll eingewobenen Melodien. Markerschütternde Schreie finden genauso ihren Platz im Fitzcarraldo-Kosmos wie leidenschaftliche, zurückhaltende Momente.
Dass Bereits beim Debüt Vergleiche zu Größen wie Envy, Mogwai, Isis und Godspeed You Black Emperor aufgegriffen werden, zeugt von der schon im Fundament vorhandenen Qualität der Band.
„Herbst“ ist ein Kleinod der regionalen Musikkunst und hat völlig zu Recht auch außerhalb Aschaffenburgs für ein interessiertes Aufhorchen gesorgt.
Daniel: „Sowas wie die Sergant Peppers Platte von Fitzcarraldo“
Heiko: „Geniale Scheibe – höre ich immer wieder gerne“
Uli: „Vergangenheitsbewältiung“
„Lass sein was ist“ (CD, Baxxbeat Music)
Es wäre töricht gewesen, wenn Fitzcarraldo den Faden des herausragenden Debüts nicht weiter verfolgt hätten. Es wäre aber auch töricht gewesen, wenn Fitzcarraldo den Faden einfach kopiert hätten.
Das 2010 erschienene „Herbst“-Folgewerk „Lass sein was ist“ macht viel richtig. Einerseits hat die Band ihre Trademarks behalten – was in meinen Ohren hauptsächlich die Eigenschaft ist, innerhalb eines Stückes mit sparsamen Mitteln eine beeindruckende Atmosphäre zu erschaffen. Andererseits wurden dem Charakter der Stücke einige neue Facetten hinzugefügt. Im Ergebnis bedeutet das: Wo beim Debüt noch Ähnlichkeiten im Aufbau, Länge und der Struktur der einzelnen Songs zu finden waren, so stark unterscheiden sich die neun neuen Stücke. Neben einem dramatischen, zehnminütigem Epos wie dem Opener „Treibjagd“ existieren kurze Stücke wie das tiefenentspannte „Feuerwerk“ oder das perkussive, ruhige „Nichts“ vollkommen gleichberechtigt.
Kurzum: Die Wände im Haus Fitzcarraldo wurden ein Stück weit nach außen gerückt – was mehr Raum im Inneren hinterließ.
Daniel: „Roh und knarzig wie die Holzplanken in Role’s Tonmeisterei“
Heiko: „Hier hatte ich als Drummer endlich mal ein Solo“
Uli: „Eher so ein Sound-Ding“
„Hansestadt“ (Single, Download, Baxxbeat Music)
Der namensgebende Song „Hansestadt“ stammt aus den Sessions von „Lass sein was ist“ und kann insofern als Nachlese verstanden werden. Da das Stück damals nicht bündig ins Konzept gepasst hat, erfährt er im Jahre 2012 als Single seine gebührende Aufmerksamkeit. Eine Aufmerksamkeit, die er durchaus verdient hat.
Der – durchaus Fitzcarraldo-typische – Song beginnt verhalten, um dann langsam aufzubrausen und schließlich getragen von hoch aufgetürmten Gitarrenwänden in sich zusammenzubrechen und nichts außer Trümmern zu hinterlassen.
Erhältlich nur als Download kommt die Single inklusive fünf weiterer Versionen von „Hansestadt“ – u.a. als Remix und Akustikversion.
Daniel: „Durch die Remixe ein wunderbarer Wechsel der Perspektive, der von den ‚Wir schreiben nicht über Downloads‘ Medien zu unrecht zu wenig Beachtung erhielt. Schande über euch!“
Heiko: „Der Song ist doch schon 200 Jahre alt – oder so. Aber so wie wir hat ihn noch keiner keiner gespielt“
Uli: „Findet man in dem Gotteslob“
„Oldenburg“ EP (CD, Baxxbeat Music)
Die „Oldenburg“-EP: Der ungleiche Zwilling der „Hansestadt“-Single (das Material entstammt ebenfalls aus den „Lass sein was ist“-Sessions“) vereint fünf Stücke, die sehr deutlich die Vielseitigkeit der Band unterstreichen. Diese war zwar schon immer erkennbar – aber noch nie so deutlich wie hier. Die „Oldenburg“ EP zeigt neue Nuancen der Band und koloriert dadurch Flächen, die vorher nur in verschwimmenden grautönen wahrgenommen werden konnten.
Das elegische „Ruine“ geht beinahe als Drone-Nummer durch, während das melancholische Piano-Stück „Olympiade“ oder das knackige „Howard“ wieder andere Extreme ausloten. Pendelnd zwischen diesen vielfarbigen Polen ist es ist schwer anhand dieser EP einen Blick in die Zukunft der Band zu werfen. Erst das kommende „FITZ“ soll Aufschluss über den weiteren Weg dieser Band geben.
Daniel: „Recke die Gitarre gen Himmel und das Kinn nach vorn, Scherge!“
Heiko: „Ich hätte nie gedacht, dass die Olympiade darauf landen würde.“
Uli: „Die Beerdigung des 4er Fitzcarraldo. Jede Platte spiegelt das Gefühl des jeweiligen Lebensabschnitts, in dem sie entstanden ist“
„FITZ“ (Vinyl, Download, Baxxbeat Music)
„FITZ“ ist anders. Anders als man es von Fitzcarraldo vielleicht erwartet hätte.
Auf ihrem dritten Longplayer beschreitet die inzwischen zum Quintett angewachsene Band (Daniel Stenger wechselte an die dritte Gitarre, Matthias Pistner stieg als Bassist ein) vollkommen neue Wege.
Es geht einen klar erkennbaren Schritt weg von ausufernden, behutsam aufgebauten Spannungsbögen und dementsprechend auch kaum noch Panorama-Notenlandschaften oder weitläufige Klangszenerien.
Was Fitzcarraldo auf „FITZ“ getan haben, ist mutig. Sie haben das Wesen, die Seele dessen, was die Band bisher ausmachte, bis auf den innersten Kern reduziert und komplett neu strukturiert. Das Ergebnis sind sieben deutlich kompaktere, greifbarere Stücke, bei denen der Gesang eine wesentlich größere – beinahe tragende – Rolle spielt. Das wird bereits beim Opener „Drowning“ sehr deutlich.
Trotz aller Änderungen kann man jederzeit klar erkennen, dass es sich um Fitzcarraldo handelt – so als ob „FITZ“ – einem verändertem Spiegelbild gleich – schon immer da gewesen ist und erst durch eine leichte Korrektur des Winkels in den Blick des Betrachters rückt.
Das positiv gestimmte „How Did We Get Here“ und das elektronisch geprägte „All The Things“ mit seinen Sprachsamples und dem eruptiven Ende sind dabei sicher die prägnantesten Stücke, die sich im auditiven Fokus des Hörers einblenden.
„FITZ“ erscheint als 12inch Vinyl mit 12-seitigem Fotobooklet (plus MP3-Downloadcode) und ist auf 100 Exemplare limitiert! Danach bleibt nur noch der reguläre Download.
Ulrich Kaindl – Guitar
Jan Maier – Guitar & Vocals
Daniel Stenger – Guitar, Vocals, Laptop, Tasten
Heiko Hümpfner – Drums & Vocals
Matthias Pistner – Bass & Vocals
(mk)
Tags: FITZ, Fitzcarraldo, Hansestadt, Herbst, Lass Sein Was Ist, Oldenburg
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