Macbeth
Verfasst am 14. Oktober 2012 von Mathias Anthes (Kategorie: Interviews) — 3.241 viewsVergangenheitsbewältigung
Bereits zum zweiten Mal hatte ich die Ehre, die Thrasher von Macbeth interviewen zu dürfen. Da sie erst vor kurzem ihr neues Album „Wiedergänger“ veröffentlicht haben, war es das Nächstliegende, ihnen ein paar Details zur Platte zu entlocken.
Metal-Aschaffenburg: Volle drei Jahre habt ihr uns auf neues Material warten lassen, doch die bisher äußerst positiven Rückmeldungen zeigen, dass sich das Warten gelohnt hat. Wie zufrieden seid ihr selbst mit der Platte?
Ralf Klein: Wir sind sehr zufrieden! Was soll man auch sagen? Aber im Ernst, auch nach dem 100. Mal hören fühlt es sich noch gut an. Wir haben alles richtig gemacht.
In „Fritz H.“ geht es um den deutschen Serienmörder Friedrich Haarmann. Wieso fiel die Wahl auf ihn und nicht einen der vielen anderen deutschen Serienmörder des 20. Jahrhunderts?
Er ist wohl der bekannteste Serienmörder in Deutschland und ist auch heute noch in Hannover eine Berühmtheit. Außerdem waren wir vom Film „Der Totmacher“ sehr beeindruckt. Dann kam uns auch noch das alte Operettenlied aus den 20ern zu Hilfe, was damals schon mit dem Text zu Fritz Haarmann umgedeutet wurde. Den Refrain und Teile des Textes haben wir in dem Song verbaut.
Welches Lied ist es, das ihr als Intro dafür verwendet habt?
Eine Version des Operettenliedes „Warte, warte nur ein Weilchen, bald kommt auch das Glück zu dir“ aus den 20er Jahren.
Ist der „Wiedergänger“ ein Sinnbild dafür, dass die Menschheit sich eines Tages selbst vernichten wird, wenn wir nicht lernen, miteinander auszukommen?
Der Wiedergänger ist das Böse schlechthin. Er kommt immer wieder zurück und zeigt sein Gesicht in den verschiedensten Formen. Die Menschheit versucht schon seit Jahrtausenden miteinander auszukommen, aber lernt leider nichts aus den großen Katastrophen und Tragödien.
Der Schlacht von Stalingrad wurde gleich eine ganze Trilogie gewidmet – einfach nur, weil es eine der größten Schlachten der Menschheitsgeschichte war oder gibt es einen tieferen Hintergrund?
Stalingrad steht für die völlige Sinnlosigkeit des Krieges. Dort wurden auf beiden Seiten, mit einer Menschenverachtung, die seinesgleichen sucht, Hunderttausende in den Tod getrieben. Uns war von Anfang an klar, dass ein Song dafür nicht ausreicht.
Die kurzen Einspieler lassen vermuten, dass man die Stücke aus deutscher Sicht erlebt; dennoch ist der Text sehr neutral geschrieben, es ist immer nur vom „Feind“ die Rede. Ist es Absicht, dass man ihn auch aus der Sicht der Russen lesen könnte?
Der Song ist aus deutscher Sicht geschrieben, da wir dazu einen viel engeren Bezug haben. Das man den Text teilweise in beide Richtungen lesen kann ist gewollt, da beide Seiten nur Kanonenfutter waren. Da geht es nicht um Gut oder Böse, schwarz oder weiß. Da geht es um die armen Schweine, die dort für einen völlig kranken Scheiß verheizt wurden.
Habt ihr Zeitzeugen befragt, um euch inspirieren zu lassen?
Ich hatte die Gelegenheit mit Überlebenden der Schlacht zu sprechen und das war sehr beeindruckend. Es ist immer ein Unterschied, ob man so eine vorgekaute Doku im Fernsehen sieht oder mit Zeitzeugen spricht. Das war so erschreckend, dass man sich intensiver damit befassen musste.
Wie waren die Reaktionen des Chors, der am Ende von „Untergang“ zu hören ist, als er gebeten wurde, für eine Thrash-Metal-Band zu singen?
Wir haben den Damen die Sache genau erläutert und ihnen auch die Songs vorgestellt. Da gab es keine Berührungsängste. Im Gegenteil, die waren regelrecht begeistert von der Idee. Als wir dann zu den Aufnahmen in die Kirche gingen, war das schon sehr beeindruckend.
Eine Frage zum Textverständnis: In „Untergang“ heißt es: „Den zweiten Winter sitzen wir in unseren Löchern fest“, doch Stalingrad war „nur“ sechs Monate lang umkämpft. Auf was bezieht sich dieser Teil dann?
Damit ist eigentlich nur der zweite Kriegswinter in Russland gemeint. Die Ausrüstung der Wehrmacht war schon im ersten Winter ungenügend und im zweiten umso erbärmlicher.
Habt ihr schonmal überlegt, eure Zwietracht mit der Stasi musikalisch umzusetzen oder stelle ich mir das als Thema interessanter vor als es ist?
Für uns ist es keine Option, das musikalisch aufzuarbeiten. Dazu sind wir zu nah dran. Spannend war es auf jeden Fall, wenn man bedenkt, wie viele Spitzel uns umgeben haben. Zieh dir mal die Unterlagen auf der Webseite rein. Da bekommt man eine ungefähre Vorstellung davon. Wir sind froh, es hinter uns gelassen zu haben. Und nebenbei bemerkt: Die Stasi wäre im totalen Freudentaumel gewesen, wenn sie über derartige Netzwerke wie Facebook etc. verfügt hätte. Dort entblößen sich die meisten Menschen freiwillig.
Nach sage und schreibe 27 Jahren habt ihr euren alten Backdrop ersetzt, was hat dazu geführt? Welche Erinnerungen verbindet ihr damit?
Das alte Teil war schon in Rente und ist nur zu besonderen Anlässen wie dem Jubiläumskonzert noch einmal aufgehängt worden. Das zweite Teil ging jetzt in Rente und hat ja auch schon 8 Jahre auf dem Buckel. Wir wollten mal etwas Neues! Das alte Teil ist natürlich für uns wie eine erkämpfte Truppenflagge und hat eine richtige Odyssee hinter sich. Das Teil war immer dabei und könnte natürlich die abgefahrensten Storys erzählen.
Aktuell spielt ihr nur sporadisch Einzelshows, werdet ihr irgendwann auf große Tour gehen?
Wir hoffen, dass wir im Frühjahr mal ein paar Gigs für eine Tour zusammen bekommen, um auch mal eure Ecke heimzusuchen.
Vielen Dank, dass Ihr euch die Zeit für mich und Metal-Aschaffenburg genommen habt! Die letzten Worte gehören euch:
Wir bedanken uns auch!
(ma)
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