Myrath

Verfasst am 25. Januar 2012 von Michael Klein (Kategorie: Interviews) — 4.365 views

Piraten im Sand

Wenn man im Jahr 2011 nach den herausragendsten Alben im Bereich Power Metal sucht, dann wird man um „Tales Of The Sands“ der Tunesier Myrath nicht umherkommen. Mit ihrem dritten Album hat das Quintett meiner Meinung sogar Szenegrößen wie Symphony X oder Dream Theater hinter sich gelassen. Denn es ist der Band das Kunststück gelungen, sich weiter von den Wurzeln zu lösen und ihren vollkommen eigenen Sound zu prägen. Ein Kunststück, das nur Bands gelingt, die Vergleiche hinter sich liegen lassen und zur Referenz für andere werden.

Kurz nach ihrer erfolgreichen Europa-Tour, die sie zusammen mit Orphaned Land und Arkan absolvierten, stand uns die Band Rede und Antwort.

Metal-Aschaffenburg: Hallo! Seit unserem letzten Interview ist eine ganze Weile verstrichen und es hat sich viel verändert. Die größte Neuigkeit ist sicher euer neues Meisterwerk „Tales Of The Sands“, das euch deutlich gereift zeigt.

Malek Ben Arbia (Gitarre): Ja, ich denke auch, dass „Tales Of The Sands“ unser erwachsenstes und reifstes Album bisher ist und unseren Stil sehr gut aufzeigt: Oriental Prog-Power Metal „Myrath Way“.
Wir haben auch viel investiert, um den Sound so gut wie möglich hinzubekommen. Unser Produzent Kevin Codfert hat das Album mit Fredrik Nordstrom, & Henrik Udd in den Fredman Studios in Stockholm gemixt.
Fredrik Nordstrom hat in der Vergangenheit auch schon Scheiben von Dimmu Borgir und In Flames gemischt.
Das Mastering hat Jens Borgren in den Fascination Street Studios in Orebro übernommen. Borgren hat z. B. schon mit Symphony X gearbeitet.

Damit sind wir auch schon bei einem unumgänglichen Namen: Symphony X. Auf „Desert Call“ waren die Parallelen und Einflüsse der Amerikaner noch mehr als offensichtlich. Euer aktueller Release ist davon wesentlich losgelöster und man kann das wahre Gesicht von Myrath viel besser erkennen.

Zaher Zorgati (Vocals): Ja – das sehen wir genau so. Ich denke, wir haben einen Punkt in unserer Karriere erreicht, an dem wir uns von den Einflüssen loslösen. Wir sind nun reif genug, unseren eigenen Stil zu etablieren. Wir haben dazu der melodischen Seite und den traditionell tunesischen Elementen mehr Raum eingeräumt und die Songs dazu kürzer gehalten, weil wir gemerkt haben, dass sich das Publikum bei langen Songs schnell langweilt – wenn man nicht gerade Dream Theater heißt.

Wie zufrieden seid ihr denn mit der gewollten Umsetzung?

Elyes Bouchoucha (Keyboards/Backing Vocals): Nun – ein Musiker ist nie 100 % zufrieden. Wir fragen uns nach der Veröffentlichung immer, ob wir noch das ein oder andere hätten ändern sollen – aber viel wichtiger ist uns, dass das Album bei den Fans gut ankommt und von den meisten Medien ebenfalls hoch gelobt wird.
Wir glauben, dass wir etwas frischen Wind in die Prog-Szene bringen konnten – genau so wie die Tunesische Revolution den Arabischen Frühling geprägt hat.

Ihr seid gerade zurück von eurer Tour mit Orphaned Land und Arkan. Welche Erwartungen hattet ihr denn vor Beginn der Rundreise, welche davon wurden erfüllt und welche nicht?

Anis Jouin (Bass): Die Europa-Tour hat alle unsere Erwartungen noch übertroffen! Sie war sehr erfolgreich für uns und hat uns viele neue Fans beschert. Wir haben uns mit Orphaned Land, Arkan und Arweg sofort angefreundet und uns gegenseitig geholfen. Diese Tour wird sich auf unserem weiteren Weg noch als sehr hilfreich erweisen.

Für westeuropäische Ohren ist der orientalische Stil natürlich sehr ungewöhnlich und reizvoll – zumal wir damit fantastische Märchen, Geschichten und Sagen verbinden. Habt ihr auf „Tales Of The Sands“ ein Konzept verfolgt?

Malek Ben Arbia (Guitars): Man kann „Tales Of The Sands“ als Konzept-Album sehen. Aus musikalischer Sicht verfolgt es die Botschaft, dass orientalische und abendländische Musik harmonisch miteinander verwoben werden können. Geschichten findet man natürlich in den Texten, aber jeder Song erzählt auch musikalisch seine eigene Geschichte – bestehend aus seinen innewohnenden Emotionen, Energie und Schwingungen.

Viele Leute dürften vom Song „Braving The Seas“ ziemlich überrascht sein, denn niemand dürfte Piraten mit Tunesien verbinden – eher mit der Karibik.

Zaher Zorgati (Vocals): Der Text von „Braving The Seas“ wurde von der tunesischen Geschichte inspiriert. Viele Leute scheinen zu vergessen, dass Tunesien eine lange Geschichte hat, die bis weit hinein ins alte Griechenland und Rom hineinreicht. Viele Piratenschlachten fanden vor der tunesischen Küste und im Mittelmeer statt.

Das Artwork ist wirklich eindrucksvoll! Ihr habt im Booklet sogar jeden Song mit einem eigenen Artwork versehen. Das Artwork für den Titelsong erinnert mich an ein Gemälde von Salvador Dalí.

Elyes Bouchoucha (Keyboards/Backing vocals): Wir freuen uns sehr, dass den Leuten das Artwork so gut gefällt. Der junge Tunesier Künstler Bader Klidi hat das Coverartwork für uns gezeichnet. Wir haben ihm dafür keine bestimmten Vorgaben gemacht, außer der Information, dass wir orientalische und abendländische Musik miteinander verknüpfen. Als er uns nach einigen Wochen das fertige Artwork zeigte, haben wir es sofort geliebt.
Das Booklet wurde von Perrine Perez Fuentes gestaltet. Sie hat für jeden Song ein eigenes Artwork entworfen, um die Texte eines jeden einzelnen Songs perfekt einzufangen. So etwas haben in der Vergangenheit nicht allzu viele gemacht. Das Ergebnis ist jedenfalls fantastisch!
Das von dir angesprochene Werk ist in der Tat eines, das Assoziationen zu großen Gemälden weckt – kann jedoch auf viele verschiedene Weisen interpretiert werden.

Wenn man das CD-Case öffnet, steht die Welt im Booklet auf dem Kopf. Ist das ein Hinweis auf die Revolution in Tunesien 2010/11 – als dort die Welt auf den Kopf gestellt wurde?

Anis Jouin (Bass): Es ist in der Tat ein Hinweis auf die tunesische Revolution (Wow! Richtig interpretiert – (mk)). Es reflektiert die drastischen Veränderungen in unserem Land, das sich innerhalb weniger Wochen von einer brutalen Diktatur weg zu einem freien, demokratischen Land hin verändert hat und Auslöser für die weiteren arabischen Revolten war.

Hat sich denn die neu gewonnene Freiheit auf euer Leben (und die Metal-Szene) in Tunesien direkt ausgewirkt?

Zaher Zorgati (Vocals): Ja. Wir haben nun Rede- und Meinungsfreiheit, können uns frei bewegen und es gibt keine Zensur mehr. Allerdings sind wir derzeit in einer Übergangsphase und es wird sicher noch einige Zeit bis zur Stabilität vergehen. Wenn man über Nacht von der Diktatur zur Demokratie übergeht, braucht es etwas Zeit zum Setzen.
Die Metal-Szene ist immer noch ziemlich undergroundig – da hat sich wenig verändert. Dort fehlen immer noch einfache Infrastrukturen und Unterstützungen von Regierung und Medien. Ich bin aber guter Hoffnung, dass sich auch dort in Zukunft etwas ändern wird.

Ihr habt einen neuen Drummer an Bord.

Malek Ben Arbia (Guitars): Wir haben den Drummer innerhalb der letzten paar Monate sogar zweimal gewechselt. Als Seif die Band aus persönlichen Gründen verließ, haben wir Piwee Desfray angeheuert, um das Album einzuspielen. Für die Tour haben wir dann Morgan Berthet hinter das Kit gesetzt, da es Piwee unmöglich war, für längere Zeit durch Europa zu ziehen.
Während der Tour haben wir dann gemerkt, dass Morgan genau der Drummer ist, den wir suchen. Er hat einen fantastischen Job gemacht und sich schnell mit allen anderen Bandmitgliedern angefreundet.
Am Ende der Tour haben wir entschlossen ihn fest zu integrieren, da er nicht so gebunden ist wie Piwee und er sich somit voll auf die Belange der Band konzentrieren kann.

Vielen Dank für das erneute Interview!

Anis Jouin (Bass): Wir bedanken uns für den wertvollen Support! Wir schätzen das sehr!

(mk)

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